Hybride Körper

Telematik beschreibt eine automatisierte Fernwirkung, mit
programmierten >Pfadfindern<, den >NetzModernenNavigatoren<. Telematik als Medium, als Vermittler, bildet bereits heute eine kommunikative Sphaere von unsichtbaren Aktionen.

Nach Multimedia und Interaktivitaet wird Telematik zum Leitmedium der Neuen Medien. Moderne Fernwirkung ermoeglicht eine Kommunikation auf Distanz. Diese automatisierten Fernwirkungen bergen den Nimbus magisch animistischer Beschwoerungs-Rituale. Eine wunderbare Zauberwelt, wo Besen von alleine putzen und das Verhaeltnis von Herr und Knecht objektiviert wird durch Roboter als Hilfsgeister, die keine Sklaven sind , die Liberte, Egalite und Fraternite fordern.

Unser Koerper war stets nicht allein in sich ruhend, war und ist laengst medial erweitert. Was der Astralleib im Vorgeschichtlichen – siehe der soziale Koerper bis zur Postmoderne – das ist der Hybrid-Body heute: vernetzt und virtuell. McLuhans Visionen vom Hybrid-Koerper sind Jetztzeit. Das telematische Ensemble verdichtet sich zu einer intelligenten, interaktiven Sphaere, kann als Ambient Intelligence beschrieben werden. Den Zugang schaffen habituelle Interfaces. Die sinnvolle Medien-Gestaltung dieser Schnittstellen von Menschen oder Apparaturen ist entscheidend.

In dem Band >Telematik. NetzModerneNavigatoren<, der von mir herausgegeben wurde und in diesem Jahr in der Verlags-Buchhandlung Koenig in Koeln erschienen ist, wird der von der Uni Essen und der UdK Berlin ausgeschriebene >Telematik-Wettbewerb< dokumentiert. Designer und Architekten entwerfen telematische Visionen und zeigen zukuenftige telematische Kommunikationen und Aktionen. Das Buch ist die erste Kulturgeschichte zur Fernwirkung mit Beitraegen von Peter Weibel, Norbert Bolz, Jeannot Simmen, Oliver Grau, Christoph Asendorf und Andres Janser sowie Basistexten zur Telematik-Avantgarde. Medien-Techniken ermoeglichen ungeahnte Fern-Wirkungen; Steuergeraete mutieren zu telematischen Alleskoennern. Die Utopien von gestern sind Realitaeten von heute. Die der Dreissiger Jahre werden realisiert und laufend optimiert: Paul Valery traeumte von der Erscheinung von Tizians Venus [Prado] an der heimischen Wand [Bill Gates laesst gruessen]; Erich Kaestner beschreibt in >Elektropolis< rollende Buergersteige mit mobil Telephonierenden, von fern gelenkten Autos >ohne Schoffoer< und U-Bahnen ohne Fuehrer; Moholy-Nagy schafft erstmals >Kunst am Telephon<, als Vorlaeufer der Medien-Kunst. Telematik avanciert zur Schluessel-Technologie, besonders mit UMTS. Vergleichbar mit der Automatisierung in den Sechziger Jahre werden Fernbedienungen zu modernen Zauberstaeben. Heute werden unsere Nahsinne durch Fernwirkung potenziert. Die haptische Qualitaet z.B. verwandelt sich von der manifesten Faust zum sensiblen Fingerspitzengefuehl. In den Fingerspitzen liegen feine Drucknerven, die auf Tastatur und Tablets ihre Texte und Bilder transformieren, wie weiland der virtuose Johann Sebastian Bach seine Fugen auf der Leipziger Thomaskirchen-Orgel spielte. Finger bilden die sensiblen Zentren fuer kommunikative Missionen. Aufgehoben ist die koerperliche Begrenzung, sie strahlen radial ueber ihre unmittelbar-sichtbare Koerperlichkeit. Statt taktisch-handfester Einsaetze wird mit Fingerspitzen-Gefuehl strategisch-telematisch konzipiert. Das postmoderne Individuum ist weder oertlich, zeitlich, noch apparativ eingeengt. Telematische Aktionen als >Actio in Distanz< erinnern an goettliche Handlungen von alttestamentarischer Wucht, an weibliche Verzueckung in den Evangelien. Die Saulus-Paulus-Legende berichtet, wie der Kohorten-Anfuehrer durch einen immateriellen Lichtstrahl vom Pferd geworfen, von einer Stimme ermahnt und auf Zeit blindgeschlagen wird. Bis er verwandelt aufersteht und zum internationalen Kommunikator im Mittelmeerraum wird. Marias Verkuendigung ist die goettliche Befruchtung durch den goettlichen Lichtstrahl, der gebrochen wird von der Taube, dem Heiligen Geist. Bewacht wird die biblische Versenkung vom kommunikativen Engel. Die Parallelitaet Bibel-Telematik ist so offensichtlich, wie simpel. Wichtiger aber als die zeitlose Faszination der Fernwirkung ist es, die heutigen Differenzen zum religioesen Zauber zu setzen. Aus dem Goettlichen wird in der Telematik trivial Alltaegliches, aus dem einmaligen Akt wiederholbare Aktionen; der goettliche Glaube weicht technischer Aufruestung. Jedes System kennt Wahn und Nuechternheit.

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