Gxis la venontan

Dieses Mal hatte meine Schwester, eine ueberzeugte Esperantistin, es endlich geschafft. Nach vielen Versuchen hatte sie mich ueberredet, mich beim IJK [Internacio Junularo Kongreso], dem weltweiten Jugend-Esperanto-Treffen, anzumelden.

Von Esperanto hatte ich, wie die meisten, schon mal gehoert und in Berlin hatte ich auch schon einige Unterrichtsstunden genommen. Doch Esperantotreffen waren eine neue Sache fuer mich. Leute aus der ganzen Welt, die sich treffen, nur um miteinander in einer kuenstlichen Sprache zu kommunizieren? Wenn das nicht ein bisschen schraeg ist…

Fast 500 Teilnehmer aus ueber 40 Laendern der Welt kamen im vergangenen Sommer in Suedpolen zusammen. Gleich am ersten Abend sah ich viele Vorurteile bestaetigt. Das boeseste Vorurteil gegenueber Esperanto ist wohl jenes, dass es sich um eine Sekte handele.

In einem riesigen Zelt mit Biergartenatmosphaere versammelte sich ein Grossteil der Teilnehmer zur feierlichen Eroeffnung des Treffens. Ich schnappte nur vereinzelt Bruchstuecke der verschiedenen Reden auf, die Leute klatschen und lachten begeistert. Als dann feierlich die riesige gruene Esperantoflagge mit dem weissen Stern gehisst wurde – die beim ersten Versuch abriss – und dann auf einmal alle jubelten, ueberkam mich eine Gaensehaut.

Alle erstmaligen Teilnehmer wurden auf die Buehne gebeten. Brav folgte ich den anderen aengstlich aussehenden jungen Menschen und als folgsamer Mitlaeufer fand ich mich dabei wieder, einen merkwuerdigen Schwur auf Esperanto abzulegen. Wie ich spaeter herausfand schworen wir gluecklicherweise nur relativ banale Dinge wie, dass wir Spass haben und uns nicht bei den Organisatoren beschweren werden.

In den naechsten Tagen verflog meine anfaengliche Skepsis und ich fing an mit meinen Grundkenntnissen Gespraeche zu fuehren. Einfach so drauf los. Beim Essen zum Beispiel poppte ein Fragezeichen in meinem Kopf auf und aus meinem Mund stolperte es >Ich habe eine Frage< auf Esperanto. Vieles laesst sich aus dem Deutschen ableiten, ich dachte, das ginge auch hier und machte aus >Frage< >fragon<. Doch >fragon< bedeutet Erdbeere. Bei kaltem Reis mit knallrosaner Erdbeersauce, offenbar eine polnische Spezialitaet, war das ein echter Brueller. Waehrend des Treffens standen verschiedene Ausfluege auf dem Programm. Als eine Gruppe von 100 Esperantisten begaben wir uns in die friedliche Aussenwelt des beschaulichen Staedtchens Zakopane. Retrospektiv sehe ich uns sektenmaessig der Flagge einer Phantasie-Nation hinterherlaufen und untereinander wild in einer fremden Sprache redend, die wie ein Gemisch aus Polnisch, Franzoesisch und Deutsch mit einer Prise Arabisch anmutet. Fuer die Polen muss es wie eine Invasion von Ausserirdischen gewirkt haben. Jeden Abend wurde eine Disko organisiert. In stundenlanger Schleife wurde >La Bamba< auf Esperanto gespielt. Ausserdem standen Filme mit Esperanto-Untertiteln auf dem Programm, Konzerte der beruehmtesten Esperantobands, Improvisationstheater, Diskussionsrunden, Vorlesungen, Stadtfuehrungen durch Krakau... - alles auf Esperanto. Auf diese Weise wurde man permanent dazu angehalten, diese kuenstliche Sprache zu benutzen und so liessen, trotz vieler Missverstaendnisse, Fortschritte nicht lange auf sich warten. Bereits nach circa fuenf Tagen, verbrachte ich die Naechte mit Spaniern und Brasilianern - theologische Diskussionen auf Esperanto fuehrend. Alles in allem war das Esperanto-Treffen in Polen ein tolles Erlebnis. Ich entschied mich deshalb, auch weiteren Versammlungen beizuwohnen, etwa dem Herbst-Termin in Barcelona. Warum? Esperanto verbindet, und zwar ungewoehnlich schnell. Da die Sprache fuer jeden eine erlernte Fremdsprache ist, muessen die Leute staendig alles, was sie sagen wollen, vorher im Kopf uebersetzen. Alle begeben sich im Zuge dessen auf ein Level. Mit dieser kuenstlichen Sprache kann man mit Vietnamesen, Russen, Islaendern, Moldawiern und Katalanen kommunizieren, von denen viele gar kein Englisch sprechen, dafuer aber Esperanto. Man kommt sich rasch nah und verabschiedet sich hoffnungsvoll in die Zukunft blickend mit einem >gxis la venontan<, bis zum naechsten Mal, in Esperantoland.

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