Go Public!

Der eine oder die andere wird sich vielleicht erinnern, dass ich vor 16 Monaten, im Herbst 2000, hier schon einmal eine Kolumne schreiben durfte, damals als frisch gebackener kuenstlerischer Leiter der transmediale, mit dem ersten scharfen Berliner Wind in der Nase. Die transmediale.01 ist gluecklich ueber die Buehne gegangen, inklusive einer im Nachhinein gedruckten Buchdokumentation, und wir stehen im Moment in den Startloechern fuer die transmediale.02, die am 5. Februar im Haus der Kulturen der Welt eroeffnet werden wird.

go public! – Das Thema des Festivals baut auf dem des vergangenen Jahres auf – vom “Do it yourself!” zum zielgerichteten Schritt an die Oeffentlichkeit. Was uns dabei vor allem interessiert, sind Fragen, Strategien und Entwuerfe, ob und wie sich mit digitalen Medien neue Formen von Oeffentlichkeit entwickeln lassen, und wo neue oeffentliche Raeume entstehen. Natuerlich muss man diese Frage kritisch stellen, denn angesichts der Kommerzialisierung des Stadtraumes, der Vermarktung jedweder Kommunikationsbeduerfnisse und der tiefgreifenden Kontrolle des gesamten Datenverkehrs ist mit spaetaufklaererischem Optimismus kein Blumentopf mehr zu gewinnen. Andererseits sollte man sich auch nicht zu sehr ins Bockshorn jagen lassen, denn zwischen Netz, Telefonie, Satellit und terrestrischen Frequenzen entstehen immer wieder auch Moeglichkeiten taktischen Mediengebrauchs, die ja dann auch genutzt werden. Nur die Utopie eines post-medialen Paradieses kann man wohl vergessen.

Interessanterweise trifft sich diese Diskussion mit einigen Auseinandersetzungen, die der neue Berliner Kultursenator Thomas Flierl in den letzten Jahren als Baustadtrat von Mitte gefuehrt hat. Der als “Nein-Sager” und “Blockierer” kritisierte Flierl stellte die hemmungslose Nutzung des oeffentlichen Stadtraums fuer private (Werbe-)Interessen in Frage – ob es um die Verkleidung des Kirchturms am Alexanderplatz in eine grosse Mineralwasserflasche ging, um die T-Pink Panther auf dem Brandenburger Tor, oder um die Nutzung von Buergersteigen [sic!] fuer Strassencafes. Flierl verteidigte stets den freien, urbanen Raum gegen Partkularinteressen. Inwieweit das heute Sinn macht, muss man diskutieren, und wir hoffen, dass sich diese Diskussion anhand des Blinkenlights-Effekts, den taktischen Moeglichkeiten von Text FM oder den Surveillance Camera Players entfachen laesst.

Apropos Surveillance Camera Players. Diese Gruppe, die vor Ueberwachungskameras Theaterstuecke auffuehrt und so die Situation von Ueberwachung und Handlung auf den Kopf stellt, bildet eine der Bruecken zwischen der CTRL-Space Ausstellung in Karlsruhe, die wie die Ausstellung der transmediale noch bis zum 24.2. zu sehen ist. CTRL-Space zeigt zahlreiche Beispiele der kuenstlerischen Auseinandersetzung mit technischer, vor allem video-basierter Ueberwachung. Uns hat die Ausstellung geholfen, das “go public!” Thema klarer zu definieren, denn es geht uns dabei von der Zielrichtung her nicht um die Kontrolle und Einschraenkung medialer und urbaner Handlungsraeume, sondern um die Frage der Oeffnung und Potenzialisierung dieser Raeume. Ein anderes Beispiel hierfuer ist das Video “Noise” von Zoran Todorovic, der auf einer Belgrader Strasse einen Apparat aufstellte, mit dem Passanten kurze Videoaufnahmen beliebigen Inhalts von sich machen konnten – ein teils lustiger, teils erschuetternder Querschnitt fuer die Bevoelkerung des oeffentlichen Raumes.

Schliesslich setzen wir die Debatte ueber den Zusammenhang von Oeffentlichkeit und Software fort, die wir im vergangenen Jahr mit der Konferenz zur Sozialen Software gestartet haben. Matthew Fuller, der sich seit Jahren mit Software als kulturellem Phaenomen beschaeftigt, hat nicht zu unrecht unsere Trennung zwischen kuenstlerischer und sozialer Software kritisiert und selber den Begriff der “spekulativen Software” ins Spiel gebracht, Software also, die ihren eigenen Status als Software kritisch reflektiert. In Berlin wird er dieses Konzept naechste Woche vorstellen und vielleicht auch gemeinsam mit Manfred Fassler, Margarete Jahrmann und Florian Cramer eine Spekulation ueber die Konzeption einer selbstbewussten, digitalen Oeffentlichkeit anstellen.

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