Globalisierungskritik, wie weiter? Antwort #69

Mit der 2005 in der Shedhalle Zuerich begonnenen Ausstellungsserie >From/To Europe< gehe ich in Kooperation mit zahlreichen KollegInnen den kolonialen Wurzeln Europas im Verhaeltnis zu den Staedten und Regionen Afrikas nach. Die europaeischen Kolonialmaechte ueberformten den Kontinent und dessen soziale Strukturen massiv, brutal und oftmals moerderisch, haben sich hierdurch aber zugleich selbst massiv gewandelt.

Nicht nur Leopoldville, Kongos heutige Hauptstadt Kinshasa, ist durch belgische Eroberung und Besiedlung zu einem europaeischen Stadtkern mit umliegenden indigenen Siedlungen gepraegt worden.

Auch die Hauptstadt Europas Bruessel ist durch den Kolonial-Koenig Leopold II zu einer >Europaeischen Stadt< im Sinne der Berliner Doktrin unter Berlin Stadtbaudirektor Hans Stimmann umgewandelt worden. Mit dem Reichtum und den Guetern aus Belgisch-Kongo wurden a la Haussmann Achsen durch Bruessel gezogen; nur durch den gestohlenen Reichtum oder die Tropenhoelzer kam die Pracht des Art Decor zustande - auf der Brussels Biennial organisiere ich unter der Ueberschrift >Brussels Capital< hierzu eine Ausstellung. Die kolonialen Verhaeltnisse waren schon immer wechselseitige, nicht jedoch egalitaere Beziehungen und Kraefte.

Durch das Migrationsregime der EU, welche meiner Ansicht nach anlaesslich der Kongo-Konferenz 1884-85 in Berlin begruendet wurde, sind die Verhaeltnisse keineswegs ausser Kraft gesetzt. Die Mittelmeer-Union soll Zuwanderung selektieren, und zugleich den Boden bereiten fuer Handelswege in den Norden sowie in den Sueden ausgelagerte Produktion. Dieses Regime wird zur Zeit militarisiert. Doch die >Autonomie der Migration< [Kanak Attak] setzt neue Massstaebe in den Staedten von Welt, also den Metropolen des Nordens, wenn etwa in Bruessel der meistgewaehlte Name Mohamed heisst. Zudem sind Zuwanderer selten nationalstaatlich in Europa verankert und bilden hierdurch eine European Community neuer Auspraegung, zudem verkoppelt mit den Laendern der vormaligen Herkunft. Mit der Forschungsgruppe metroZones werden wir mit dem Projekt >Global Prayer< die sozialen und politischen Rollen von Kirchen der Welt untersuchen: Sind religioes auftretende Gruppierungen eine neue >zivilgesellschaftliche< Macht jenseits der Civitas von Wohlfahrts-Staaten, wenn etwa die Mittelschicht von Lagos sich in der Winners Chappel trifft, faschistische Hindu-Fundamentalisten gegen Armut kaempfen, oder Befreiungskirchen soziale Bewegungen ersetzen? Mit dem ErsatzStadt-Projekt City of COOP hatte metroZones 2003 Initiativen aus Buenos Aires und Rio de Janeiro nach Berlin eingeladen, um ueber Ersatz-Oekonomien in Krisenzeiten zu diskutieren sowie im Prater der Volksbuehne zu performen. Zudem besuchte Pepe Cordoba von der argentinischen cartoneros-Kooperative >Nuevo Rumbo. Cooperativa de Produccion y Servicios< [Lumpensammler nannte man dies im Berlin der 1920er Jahre] die Recycling-Einrichtungen der Berliner Stadtreinigung BSR, waehrend die Kostuemabteilung der Volksbuehne gemeinsam mit den brasilianischen Favela-Schneiderinnen von >Coopa-Roca. Cooperativa de Trabalho Artesanal e de Costura da Rocinha Ltda< neue Produkte ausprobierte und vorfuehrte. [Anm.d.Red.: Der Verfasser dieses Beitrags Ko-Herausgeber der Buchreihe metroZones und Ko-Gruender der gleichnamigen Forschungsgruppe.]

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