Globalisierungskritik, wie weiter? Antwort #53

Wir haben am Wochenende einen Ausflug ins Windsor Hotel gemacht, in dem diesen Sommer der G 8 Gipfel stattfindet. Es liegt auf einem hohen Berg, nahe dem See Toya und es guckt auf der einen Seite auf den See und auf der anderen aufs Meer. Von weitem wie ein Schloss an der Loire, aber von der Form eher wie ein gestrandetes Luxus Kreuzfahrtschiff, direkt von der Meierwerft nach Hokkaido. Wenn man sich dann im Auto naehert, muss man erstmal an einer Ecke direkt an einem Ferienbauernhof abbiegen, auf dem Familien im Garten Milch trinken und eine grosse selbstgemalte ostfriesische Kuh macht Werbung dafuer. Also hoch den Berg, immer dem Windsor Schild nach, und die Aussicht geniessen.

Auf halber Strecke wedelt uns ein Sicherheitsbeamter an den Rand, und unser Fahrer setzt reflexartig seine dunkle Sonnenbrille ab, um nicht gefaehrlich auszusehen, da fragt er auch schon nach unserer Absicht: Ja wir – Naja, zum Brunch ins Windsor, wollen wir! – Ah so ist das, na denn, gute Fahrt und viel Spass! – Das war einfach, also ganz offiziell fahren wir hoch und parken auf dem Besucherparkplatz, zwischen Reisebussen, mit dem Aufdruck Windsor Hotel. Um den Parkplatz herum lauter orangene bagger und Huetchen, da wird noch etwas gebaut an den Auffahrten fuer die internationalen Sommergaeste.

Dann zu Fuss immer an den Huetchen entlang bis zu einem gigantischen Eingangsbereich mit 50 m hoher Glasfassade, unter der ganz oben eine Raffgardine auf Hoehe eines 4. Stocks angebracht ist. Links und rechts davon verhaeltnismaessig kleine Tueren, die wie Gartentuerchen wirken. Ein Blick zum Portier mit Zylinder und schwarzem Anzug, der mit dem Ruecken zur Meerseite vor einem gigantischen Golfplatzabhang steht, und er deutet auf die kleinen Seitentuerchen, nicht ohne zuvor ein Foto von uns zu schiessen und wir von ihm. Dozo, bitte schoen, hier entlang!

Ein schoener Page wie aus dem Bilderbuch haelt uns die kleine Tuer auf, Dozo, hier hinein bitte, und dann sind wir innen hinter der grossen Scheibe, mit mehreren Sesselgruppen davor und nichts weiter, ausser 2 gigantischer Treppen die rechts und links hochfuehren. Aber kein Counter oder so. Aeh, Schuldigung, wo geht’s denn hier zum Brunch? Der Gefragte nimmt seinen Knopf aus dem Ohr, entschuldigt sich, weiss er auch nicht, er ist hier nur Security. Ach so. Dann also mal so ne Treppe hochgegangen. Oben befindet man sich auf einer gigantischen Freitreppenbruecke, mit Blick ueber die eine Sesselgruppe Richtung Fenster Meerblick und auf der anderen Seite ueber eine Sesselgruppe und Sonntagskonzert mit Querfloetist und Pianisten , rechte untere Ecke, Richtung Seeblick. Schoenes Ding, aber wo ist der Brunch?

Unter uns mittig befindet sich ein Cafe, Kaffee zum Sonntagskonzert. Oben eine Art Korridor am Ende der gigantischen Brueckenkonstruktion, der nach links zum Poloklub fuehrt, und nach rechts ins french Restaurant, wobei man durch einen Baeckerladen laeuft, um dann endlich den Brunch zu finden. Der brunch ist >french style< auch wenn ich das Restaurant typisch englisch finde, mit Jagdszenen und Schiffsstichen an der Wand, und die Tischdecken bei naeherem Hinsehen kein Damast sondern Kunstfaser sind, mit einer Zacken schere beschnitten, das ist auch nicht french oder? Brunch kostet soviel wie ein drei Gaenge Menue in Berlin, aber ist ja french. Mit winzigen Vorspeisen, in Schnapsglaesern dekoriert, Sueppchen in Espressotaesschen, winzige Loeffelchen, und dazu Hauptgerichte mit viel Fleisch. Schweinebraten, aber keine Kartoffeln, kein Reis und auch keine Nudeln, sondern nur Broetchen, Broetchen Broetchen, soweit das Auge reist, der Franzose scheint zu allem Broetchen zu essen und auch Spaghetti Bolognese ist hier ein 5 Sterne Gericht. Bon Appetit. Getraenke sind Kaffee schwarz oder Tee schwarz wahlweise mit Zitrone, Kaffeesahne oder Teesahne zu haben. Richtig french waren nur die Desserts, Flan Eckchen, gateau au Chocolat, und creme Brulee, auf dem Grund eines Schaelchens ein halber Finger breit, un petit peu monsieur. merci! Wir haben von den winzigen leckere in alles durchprobiert und es schmeckte auch sehr lecker, aber richtig french war es doch nicht fanden wir und die normalen japanischen Fruehstuecksbuffets mit japanischem und europaeischen leckeren Sachen zur Auswahl ist dann doch noch schoener. Arigato gozeimas. Nebeneffekt des Besuches war natuerlich, dass man dauernd dachte, ob dann wohl hier die Angie demnaechst auch bruncht und sich fragt ob das french ist? Und ob der Sarkozy die Broetchen wohl lecker findet, oder die baguettes aus der Baeckerei vor dem French Restaurant? oder Bush dann die Steaks vermisst, bei der Bolognese? Ob sie wohl auch vom Restaurant, ueber die gigantische Brueckenkonstruktion durch den halben Poloclub laufen um das Klo zu finden? Und dann auch nach dem Muelleimer suchen fuer die gebrauchten Handtuecher? Auf jeden Fall haben wir im Anschluss schonmal die verschiedenen neuen Holzplattformen im Garten fuer ein Gruppenfoto ausprobiert, mit Meerblick und mit Seeblick, sogar mit einem schneebedeckten >Annapuri< Berg im Hintergrund. So fuehlen sie sich dann sicher auch, die Grossen 8! [Anm. d. Red: Die Verfasser des Beitrags arbeiten als Kuenstlerduo zwischen Berlin und Sapporo, wo sie ebenfalls gemeinsam eine Professur fuer Film und Media Art an der Sapporo City Universitaet inne haben.]

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