Globalisierungskritik, wie weiter? Antwort #41

Mein Interesse am Thema Globalisierung erwachte irgendwann im Jahr 1998, als mir jemand von einem sog. MAI-Vertrag erzaehlte. Damit sollten angeblich transnationale Konzerne zu Voelkerrechtssubjekten erhoben werden, Sozial- und Umweltklauseln fuer Auslandsinvestitionen verboten werden und die Staaten von Konzernen auf Entschaedigung verklagt werden koennen, wenn sie irgendwelche gewinneinschraenkenden Massnahmen beschliessen sollten. Dieses Thema elektrisierte mich fortan dermassen, dass ich mir zahlreiche Literatur ueber das Themengebiet besorgte und sogar eine Promotion zum Thema Investitionsvertraege schrieb. Mittlerweile weiss ich, dass Vieles von der Kritik stark uebertrieben, Einiges sogar schlicht falsch war.

Doch Vieles hat sich auch nach einer wissenschaftlichen Wuerdigung als gerechtfertigte Kritik erwiesen. Insbesondere sind internationale Investitionsvertraege im Allgemeinen wie die Globalisierung im Besonderen nicht von den Buergern und auch so gut wie gar nicht von den Parlamenten steuerbar und sie beinhalten teils haarstraeubende Transparenz- und Rechtsstaatsdefizite. Sie ist nicht steuerbar durch die Menschen, weil wir nie gefragt worden sind, ob wir Institutionen wie die WTO oder den IWF haben wollten. Nie konnten die Buerger in Deutschland und auch in keinem anderen Staat der Welt ueber so wichtige Vertraege wie das WTO-Agrarabkommen oder ueber multilaterale Vertraege ueber Dienstleistungen oder geistiges Eigentum abstimmen.

Solche Fragen spielen in aller Regel auch bei nationalen Wahlkaempfen keine Rolle, so dass auch nicht von einer indirekten Legitimation gesprochen werden kann. Aber wir waehlen ja Parlamente und unsere Abgeordneten kuemmern sich fuer uns um diese Dinge. Doch auch hier kehrt ziemliche Ernuechterung ein, wenn wir uns die konkreten Prozesse der Entstehung und Verabschiedung internationaler Vertraege [mit der die Globalisierung rechtlich verankert wird] ansehen. Die Aushandlung voelkerrechtlicher Vertraege ist eine klassische Domaene der Exekutive. Die Parlamente haben in dieser Phase – eine gewisse Ausnahme bildet nur der US-Kongress – bestenfalls Beobachterstatus.

Die Ratifikation der Vertraege ist dann zwar Angelegenheit der Parlamente, doch es handelt sich um sog. >take it or leave it<-Entscheidungen. Die Vertraege sind jahrelang vorher ausgehandelt worden und da die meisten Parlamente ohnehin das Regierungshandeln absegnen anstatt es wirkungsvoll zu sanktionieren, wird den allermeisten Vertraegen ohne grosse Diskussionen zugestimmt. Auch einzelne Korrekturen sind nicht mehr moeglich, da dies als ein Aufschnueren des oft muehselig errungenen Verhandlungskompromisses verstanden wird. Es ist also Zeit, ueber grundlegende demokratische Korrekturen des Globalisierungsprozesses nachzudenken und diese einzufordern. Bis dies gelingt, wird es allerdings sehr lange dauern [auch dies ist typisch fuer die Globalisierung]. Daher wird bis auf Weiteres nicht viel anderes uebrig bleiben, als die immerhin in Ansaetzen entwickelten demokratischen Mitbestimmungsmoeglichkeiten auf kommunaler, regionaler und nationaler Ebene zu nutzen und beispielsweise mit Buergerentscheiden gegen bestimmte Privatisierungsplaene vorzugehen. [Anm. d. Red.: Der Verfasser dieses Beitrags ist Mitglied im Bundesvorstand des Vereines Mehr Demokratie und koordiniert die Europaarbeit dieser Initiative.]

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