Globalisierungskritik, wie weiter? Antwort #33

Das Schulfach >Global Studies< beleuchtet das weitlaeufige Thema Globalisierung unter ganz unterschiedlichen Gesichtspunkten. Schwerpunkte bilden dabei kulturelle, wirtschaftsgeografische sowie wirtschaftliche und politische Aspekte. Da das Fach einen besonderen Aktualitaetsanspruch stellt, verfolgen und diskutieren wir wirtschaftspolitische Ereignisse wie den G-8 Gipfel in Heiligendamm im Unterricht. Konkret im Lehrplan verankert ist die Behandlung solcher Themen in der Lehrplaneinheit >Nachhaltige Entwicklung als globale Aufgabe<.

Die Schuelerinnen und Schueler setzen sich mit Entwicklung im Allgemeinen, der Unterentwicklung und deren Ursachen sowie der kritischen Beleuchtung von Strategien gegen Unterentwicklung auseinander.

Dazu zaehlt auch die Thematisierung der Globalisierungskritik und den damit verbundenen Institutionen, wie beispielsweise attac. Das Fach Global Studies ist ein Wahlfach am beruflichen Gymnasium in Baden- Wuerttemberg, das Schuelerinnen und Schueler belegen koennen. Es wurde erstmals im Schuljahr 2004/2005 an 7 Versuchsschulen, u.a. der Carl-Theodor-Schule in Schwetzingen, eingefuehrt. Mittlerweile unterrichten im Rahmen eines Schulversuchs mehr als 40 berufliche Gymnasien im Land das Wahlfach. Die Tatsache, dass das Thema Globalisierung in der Gesellschaft stetig an Gewicht gewonnen hatte, hat uns dazu bewogen, dies auch in der Schule angemessen zu vertiefen.

Schliesslich hat die Entwicklung nicht zuletzt auch dazu gefuehrt, dass Unternehmen und Hochschulen ihre Anforderungen an Abiturientinnen und Abiturienten in der globalisierten Welt modifizierten. In Gespraechen mit Vertretern verschiedener Institutionen ergab sich, dass sie von potenziellen Bewerbern insbesondere folgende Kompetenzen und Interessen erwarten: gute Kenntnisse in Volks- und Betriebswirtschaftslehre mit betrieblichem Rechnungswesen; Interesse fuer wirtschaftliche Themen und Zusammenhaenge; Handlungskompetenz; Teamfaehigkeit / Sozialkompetenz; Engagement und Flexibilitaet-Sprachkompetenz [insbes. Englisch]; Interkulturelle Kompetenz /Auslandserfahrung; Weltoffenheit.

Neu dabei war vor allem die Forderung nach interkultureller sowie hoher Sprachkompetenz. Dies war Anlass fuer das baden-wuerttembergische Kultusministerium eine Lehrplankommission einzuberufen, um ein neues Fach zu schaffen. Das Fach >Global Studies< will der immer staerkeren Internationalisierung und Globalisierung sowie der zunehmenden Bedeutung von Fremdsprachenkenntnissen Rechnung tragen. Die Schueler sollen die Faehigkeit erwerben, zunehmend komplexe Themen in einem internationalen Umfeld zu erfassen und zu bearbeiten und die Kompetenz erlangen, in einem interkulturellen Umfeld zu arbeiten. Um die Kommunikationsfaehigkeit in der Fremdsprache zu schulen, wird der Unterricht auf Englisch gefuehrt. Mindestens 50% des Stoffinhaltes muessen in der Fremdsprache vermittelt werden. Bei der Gestaltung des Faches Global Studies stellte sich die Frage, wie wir der Vielfalt des Themas am besten Rechnung tragen sollten, da das Gebiet der Globalisierung ein weites darstellt. Daran schliessen sich moegliche Schwierigkeiten in der praktischen Umsetzung des Faches an den Schulen an: Global Studies in seiner heutigen Auspraegung ist ein breit angelegtes Unterrichtsfach, das Aspekte aufgreift, die den unterschiedlichsten traditionellen Schulfaechern oder im Zweifel keinem von diesen zuzuordnen sind. Lehrkraefte muessen bereit sein, ihre eigene Fachdisziplin zu verlassen und Neuland zu betreten. Dazu bietet sich ein Unterrichten in Lehrerteams an. Eine weitere Schwierigkeit liegt in der Materialbeschaffung fuer den Unterricht. Auf Grund des hohen Aktualitaetsanspruchs und der Tatsache, dass es dieses Fach bisher nur in Baden-Wuerttemberg gibt, wird es vermutlich in absehbarer Zeit keinen Verlag geben, der sich bereit erklaert, Lehrmaterial fuer Global Studies zur Verfuegung zu stellen. Vielleicht ist dieses Interview jedoch eine Moeglichkeit, den Bekannheitsgrad des Faches zu steigern, damit die >Global Studies Welle< auch in andere Bundeslaender ueberschwappt. Global Studies ist breiter angelegt und bezieht neben rein geschichtlichen bzw. politischen Aspekten auch weltwirtschaftliche und kulturelle Aspekte in die Betrachtungsweise mit ein. Eine wesentliche Neuheit des Faches im Vergleich zu anderen Faechern ist der bilinguale Ansatz, d.h. mindestens 50% des Faches werden in der Zielsprache [i.d.R. Englisch] unterrichtet sowie die Zielsetzung, interkulturelle Kompetenz zu vermitteln. Dazu gehoert bspw. das sichere Bewegen eines Arbeitnehmers auf internationalem Terrain, das Vermeiden von Konflikten oder Fehlentscheidungen basierend auf kulturellen Missverstaendnissen. Die wirtschaftlichen Inhalte konzentrieren sich auf Projekte mit Unternehmen [internationale Standortfindung, Auslandsmaerkte etc.] und auf volkswirtschaftliche Aspekte, zum Beispiel die Rolle von >Weltorganisationen< wie Internationaler Waehrungsfond, Weltbank und WTO, die direkten Einfluss auf die Entwicklung von Staaten nehmen, sowie andere Strategien gegen Unterentwicklung und Armut. Ein weiterer wirtschaftlicher Schwerpunkt sind Steuerungsprozesse zur nachhaltigen Entwicklung allgemein [Staatseingriffe vs. Marktorientierung]. Diese Perspektiven begleiten uns in allen Projekten, die wir im Rahmen von Global Studies durchfuehren, auch bei der Verfolgung und Diskussion von Ereignissen wie dem G-8 Gipfel in Heiligendamm. Ein Beispiel fuer ein Projekt mit einem Unternehmen aus der Metropolregion Rhein-Neckar ist die Beschaffung von Werbemitteln in China: Die Schuelerinnen und buy brand viagra Schueler mussten im Auftrag eines Unternehmens in Bensheim mit chinesischen Lieferanten in Kontakt treten, Angebote fuer Werbemittel einholen, diese vergleichen, die Bezugskosten sowie die Gesamtkosten ermitteln und sich fuer einen Lieferanten entscheiden. Neben diesem rein betriebswirtschaftlichen Bestandteil wurden die SchuelerInnen kulturell geschult, wie sie am besten chinesische Lieferanten kontaktieren.

Eine weitere Aufgabe der Jugendlichen bestand darin, einen kulturellen Businessratgeber fuer das Unternehmen und deren in China kuenftig eingesetzten Mitarbeiter zu entwerfen. Die Ergebnisse praesentierten die SchuelerInnen im Unternehmen in englischer Sprache. Dieses Projekt zeigt, wie eng Global Studies verschiedene Aspekte der Globalisierung verknuepft und welche Rolle die Schulung interkultureller Kompetenz sowie die Foerderung der Fremdsprachenkompetenz einnimmt.

Wie oben schon erwaehnt finden aktuelle Themen Eingang in den Unterricht. Folgende Themenstellungen lassen sich jedoch direkt mit dem Feld der Globalisierungskritik verbinden:
– Lehrplaneinheit 1: Kulturen im Vergleich: Angleichung der Kulturen, Amerikanisierung
– Lehrplaneinheit 4: Globalisierung der Wirtschaft: Beleuchtung international taetiger Unternehmen; deren Beschaffungs-, Absatzmaerkte, Standortfaktoren, Unternehmensleitbild; Analyse von Welthandels- und Kapitalmarktstroeme
– Lehrplaneinheit 9: Nachhaltige Entwicklung als globale Aufgabe; Untersuchung von Strategien gegen Unterentwicklung; Weltbank, IWF, WTO, WHO, staatliche und privatwirtschaftliche Entwicklungspolitik

Aus der Zielsetzung von Global Studies ergibt sich, dass die Jugendlichen im Laufe der drei Unterrichtsjahre die internationale Vernetzung unserer Welt begreifen, deren Konsequenzen erfassen und kritisch beleuchten koennen. Das vermittelte Wissen und der problemorientierte, praxisbezogene Zugang zu den behandelten Themen stellen die Grundlage dar, selbst kritisch Position zu dem Thema Globalisierung und Globalisierungskritik zu beziehen.

[Anm. d. Red.: Die Verfasserin dieses Beitrags ist Lehrerin an der Carl-Theodor Schule und hat gemeinsam mit KollegInnen in Badem-Wuertemberg >Global Studies< als Schulfach eingefuehrt.]

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