Globalisierungskritik, wie weiter? Antwort #23

Globalisierung ist ueberall. Vom Arbeitsmarkt ins Lebensmittelregal. Ich bin dagegen. Coca cola und die Oelindustrie. Endlich wieder ein Feind. Vereint dagegen. Protest vergemeinschaftet. Anti garantiert community. Wogegen? Den globalen, Natur und Menschen verachtenden Kapitalismus natuerlich. Anti ist einfach. Zu einfach. Schwierigkeiten beginnen bereits bei der Anatomie des Feindes. Weltbankkredite nur mit Emissionskontrollen? Sozialstandards im Rahmen der WTO? Schon aechzt es in einer heiligen Allianz aus Oekos, Gewerkschaftlern und Neomarxisten. Schmitt souffliert, Mouffe sekundiert, Zizek reuessiert. Entweder du bist fuer uns oder gegen uns.

Das gesamte globale kapitalistische System gibt den Feind. Was bleiben fuer Freunde? Realsozialistische Regime? Russische und chinesische Landarbeiter verhungerten nicht wegen dem globalen Kapitalismus, sondern einem diktatorischen ideologischen System. Islamische Extreme? Selbst wer 9/11 als >Autoimmunitaet<, >Kunstwerk< oder >politischen Akt< deutet, verweigert den Schulterschluss. Zu recht. Fundamentalismus atmet immer den Geist totalitaerer Unterdrueckung. Kulturelle Multitude? Film, Literatur, Poesie, Folklore, Mythen formen vielsprachige Logiken der Welt. Differenzen widerstreiten Hollywoods Hegemonie. Dem entrechteten >homo saccer< Guantanamos oder eines Fluechtlingsschiffs hilft kein mythisches Paradigma, sondern nur einklagbare universelle Rechte. Kreative Theorieakrobaten? >De-< und >Post-< setzten Konstruktion und Struktur voraus. Im leeren Raum wohnt keine Gesellschaft. Also etwa Institutionen? Das boese Recht? Doch nicht auch noch der Markt? Freier Handel kann emanzipieren. Der Markt darf nur nicht das Leben kolonialisieren. Globalisierungskritik sollte Markt als soziale Institution fuer sich instrumentalisieren. Der Weg fuehrt hinab in die miefige Hoehle internationaler Wirtschaftspolitik. Wie lassen sich die zur Zeit maechtigen internationalen Institutionen WTO, Weltbank und IMF besser verknuepfen mit ILO, WHO und internationalen Umweltregimen? Multitude muss den Institutionen und dem Markt eingeschrieben werden. Recht kann Gerechtigkeit bedeuten. Das kostet Kraft und Detailarbeit, Ideen und Dialog. Verspricht aber mehr Veraenderung als weisse Brigaden in Genua. Der inhaltliche Gegengipfel in Heiligendamm weisst in eine gute Richtung. Attac ist inzwischen weit mehr als ein Dachverband fuer Demo-Tourismus. Warum nur immer dieses vehemente Anti? Antiglobal? Aus der ganzen Welt stroemten Aktivisten nach Heiligendamm. Globalisierungskritik ist die globalisierteste soziale Bewegung der Welt. Think local act global? Keiner will zurueck zu Nationalismus und Regionalisierung. Die Globalisierungskritik verwirklicht doch gerade eine transnationale Zivilgesellschaft. Das ist ihre Staerke. Antikapitalistisch? Wichtiger als utopische Kritik ist kritische Utopie. Die Menschen brauchen konstruktive Loesungen fuer Sozial- und Umweltstandards, globale Umverteilung, weltweite Ressourcennutzung. Die soziale Kugel >globus< rollt weiter. Eine kritische Bewegung sollte nicht versuchen die Kugel zu verneinen, sondern ihr eine neue Richtung geben. Eine >Neue Globalisierung<. [Anm.d.Red: Der Autor ist Jurist, Philosoph und Mitherausgeber von polar, Zeitschrift fuer Politik, Theorie, Alltag].

Ein Kommentar zu “Globalisierungskritik, wie weiter? Antwort #23

  1. interessante anregungen! und weil es nicht oft genug gesagt werden: globalisierungsgegner existieren eigentlich nur als erfindung der springer-presse, doch hat sich dieser begriff inzwischen so sehr eingeburgert, dass er selbst in linken kreisen verwendung findet, hier und da an prominenter stelle. ganz schoen peinlich und ein zeichen dafuer, dass >einschreiben< funktioniert, an dieser stelle leider nur in die falsche richtung!

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