Globalisierungskritik, wie weiter? Antwort #28

Die Proteste gegen den Gipfel haben gezeigt, dass die globalisierungskritische Bewegung auch in Deutschland in der Lage ist massenhaft und kollektiv zu protestieren. Das war eine wichtige Erfahrung. Wir als Gruppe FelS haben unsere Schwerpunkte in der Mobilisierung mit den Massenblockaden und dem antirassistischen Aktionstag, richtig ausgewaehlt.

Bei der Demonstration gegen die Migrationspolitik der G8-Staaten nahmen mit 10 000 Menschen weit mehr teil als erwartet und es wurde durch die Forderung nach globaler Bewegungsfreiheit ein klares und nicht zu vereinnahmendes Nein zu dem Treffen der Gruppe der Acht deutlich.

Auf der praktischen Ebene drueckten dann die Massen- blockaden, die Heiligendamm zeitweilig landseitig einschlossen, die eindeutige Delegitimation ohne Dialogangebote aus und verhinderten den reibungslosen Ablauf des Gipfels. Die Menschen, die daran teilgenommen haben, sind um die unerlaessliche politische Erfahrung reicher, herrschende Politik nicht nur aktiv zu kritisieren, sondern dabei auch zu handeln und die eingefahrenen undemokratischen Gremien zu stoeren und zu irritieren. Als FelS machen wir schon lange im Themen- bereich Internationale Solidaritaet Politik. Fuer uns heisst das die Auswirkungen des neoliberal globalisierten Kapitalismus weltweit in den Blick zu nehmen. Das ist nicht alles.

Denn gleichzeitig gilt es die Verantwortlichen fuer die dramatische Spaltung in Arm und Reich, die von einem massiven Abbau sozialer und demokratischer Rechte begleitet wird, zu kritisieren und zu bekaempfen. Unser Impuls war im Rahmen der Interventionistischen Linken, eines bundesweiten Zusammenschlusses linker Gruppen, eine antikapitalistische Position in breite Buendnisse zu tragen. Hierbei geht es darum die Bewegung der Bewegungen in ihrer Pluralitaet abzubilden, ohne die eigenen Postionen zu verwaessern. Frei nach der Devise: Eine andere Welt wird nur durch eine breite und pluralistische linke Stroemung moeglich.

Innerhalb der globalisierungskritischen Bewegung sollte in Zukunft vermehrt die Forderung nach Globalen Sozialen Rechten fuer alle diskutiert werden. Konkret bedeutet das: das Recht auf einen gutes Leben, also ein bedingungsloses Existenzgeld, mit dem es moeglich ist fundamentale Beduerfnissen wie Zugang zu Nahrung, Bekleidung und Unterkunft zu stillen. Zudem aber auch das Recht auf physische und psychische Gesundheit sowie auf Bildung und auf Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Um derartige Dinge zu erreichen, muesste eine starke Bewegung existieren, die nicht nur Forderungen stellt, sondern sich auch aneignet, was ihr im Prinzip gehoert.

Daran mangelt es natuerlich noch, aber Heiligendamm war insofern ein Anfang, dass viele Tausend Menschen zivilen Ungehorsam und bewusste Regelverletzungen als eine legitime Form des Protests kennen gelernt haben – und viel wichtiger den Erfolg von koordinierten und entschlossenen Aktionen erlebt haben. Um gegen die neoliberale Politik und ihre destruktiven Auswirkungen auf Umwelt und Klima zu protestieren, soll im kommenden Jahr ein grosses Aktionscamp im Stil der Heiligendamm-Camps stattfinden. Aus der Erfahrung von Heiligendamm, wo die deutsche Regierung durch ihre gruen-angehauchte Klimapolitik medial punkten konnte und wo ausserhalb des Gipfels kaum der Zusammenhang von Klimawandel und Kapitalismus thematisiert und kritisiert wurde, wollen sich linke Gruppen vermehrt mit dem Klimawandel auseinandersetzen und dazu antikapitalistische Positionen erarbeiten, um diese dann auch praktisch zu den Verantwortlichen zu tragen.

Hier spielt natuerlich auch der G8-Gipfel, der naechstes Jahr in Japan stattfinden wird eine Rolle. Die Vorbereitungen fuer die Proteste haben dort schon begonnen, Aktivistinnen und Aktivisten, die bereits in Heiligendamm aktiv waren unterstuetzen vor Ort und weltweit wird es nach globalisierungskritischer Tradition bei Gipfelbeginn Aktionstage geben. Dass die Staatschefs fuer das darauf folgende Jahr sich bereits auf einer kleinen italienischen Insel, einem US-Militaerstuetzpunkt, angemeldet haben, macht deutlich, dass sie sich des stetigen Legitimationsverlust ihres informellen Gremium bewusst sind. Die Blockierenden von Heiligendamm koennen sich dagegen sicher sein, dass sie auf dem richtigen Weg sind – ein hoffnungsvoller, aber beschwerlicher.

[Anm. d. Red.: Der Verfasser dieses Beitrags ist Mitglied der NGO FelS – Fuer eine linke Stroemung.]

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