Flug LG 9642/LH 2420

Ich komme, ich weiss nicht woher, zurueck ins Arbeitszimmer. Die bekannte Radio-Moderatorenstimme berichtet von dem Flugzeugabsturz in Luxemburg: Propellermaschine, maximal 50 Personen Fassungsvermoegen – ca. 20 Tote und… Verletzte. Wahrscheinlich menschliches Versagen – Bodennebel … ich denke im Arbeitstrott, war das gestern oder ist es was Neues? Danach Werbung. Dann kommt eine Flugexpertin: Das Stabilste an einer Propellermaschine ist das Cockpit, der Rest ist ziemlich fragil und bei einem Absturz in dieser Groessenordnung ist kaum mit Ueberlebenden zu rechnen. Ich arbeite weiter, suche nach einem Titel fuer mein naechstes Projekt. Die Absturznachrichten ueberschlagen sich. Ich denke, Michel ist Luxemburger, und – ich moechte niemanden kennen, der in einem solchen Flugzeug sitzt. Gott – wie oft habe ich das schon gedacht.

Ploetzlich ist es bitterer Ernst: Michel Majerus hat in der besagten Maschine gesessen. Und er gehoert nicht zu den Verletzten. Er ist tot. Unwiderrufbar. Es gibt keine funkigen Bilder mehr von ihm. Es gibt dieses verschmitzte Laecheln nicht mehr. Diese strahlenden Augen blicken niemanden mehr an. Er ist nicht mehr da. Ich kann es noch nicht begreifen. Denke immer noch, vielleicht ist es ein Versehen. Doch nach einigen Anrufen ist es klar: Michel Majerus ist ums Leben kommen.

Seine Bilder haben gleichsam etwas emotional Anregendes und kunstimmanent kritisches. Sie kommen wie Samplings daher und behaupten sich auf quadratische oder wandhohe Formate, wie sie der Moderne eigen waren und gipfelten haeufig als Komglumrat in Rauminstallationen. Michel entwickelte mit einem schnellen Duktus eine Art Gebrauchsaesthetik, die ihm ermoeglichte intelligente, emotional anregendene Displays zu schaffen. Mit ihrem ironischem Impetus wagten sie Interpretationen zu Frank Stella, Adidas, Elsworth Kelly, Nike oder Andy Wahrhol und dem Rest der Waren- und Kunstwelt.

Michel Majerus ging es seit langem nicht mehr um die Banalitaet des Realen in der Kunst und schon gar nicht um den Kampf gegen die Malerei. Er musste und wollte all diese Diskurse nicht bedienen. Aus seiner Perspektive sind alle Medien gleichwertig geworden und in ihrer Koexistenz wahrzunehmen. Im Kontrast zur Aura der Ausstellungsraeume installierte Michel Majerus haeufig Rahmen oder Gitter auf den Boeden des Ausstellungs-geschehens und arrangierte seine Malereien [ob auf Lein-waenden oder direkt auf die Wand gemalt] kulissenhaft in die arrangierte Bodeninstallation. Seine Gemaelde, traten durch diese Strategie in den Hintergrund und behaupteten sich gleichsam multipliziert, humorvoll vordergruendig.

Vordergrund und Hintergrund loesen sich auf, verschmelzen ineinander. Saemtliche Bilder schwimmen im Hier und Jetzt, sind allzeit abruf- und verfuegbar. Das Universum der Bilder loest sich auf und endet wiederum in der Umlaufbahn. Auch dort befindet sich jetzt Michel Majerus. Irgendwo auf diesem Planeten. Er wird sich im Jenseits, das hoffentlich ein wenig was vom Diesseits hat, einrichten und von dort aus das medial Mannigfaltige des Jetzigen beobachten und mit Charme, Kritik und Humor interpretieren.

Michel, du wirst uns auf Erden fehlen. Bereite den Engeln [wenn es sie denn gibt] genauso viele spannende Ereignisse wie wir sie erleben durften! Installiere doch dort oben eine ebenso eindrucksvolle Welt, wie jene, die du vor zwei Jahren im Koelnischen Kunstverein arrangiert hast. Dann denken die Engel mal was anderes, wenn sie auf einer mehr als 40 Meter langen und mindestens 10 Meter breiten Skateboard-Halfpipe herumturnen koennen. Und wenn sie bei Sturzgefahr ihre Fluegel aktivieren muessen, koennen sie deinen gemalten, imposanten, weltlichen, Konsuminterpretationen folgen um zugleich gewaltigen Farbraeuschen zu erliegen. Wenn sich das raeumlich nicht arrangieren laesst, dann bilde diese, sich in einem gigantischen Alu-Schattenrahmen befindliche Welt nach, die du in diesem Jahr in der Galerie neugerriemschneider installiert hast. Das sollte eine Groessenordnung sein, die sich auch im Himmel realisieren laesst.

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