Filmclub 58

Vor ziemlich genau zwei Jahren, an einem eiskalten Berliner Wintertag, sassen vier naive aber attraktive Jungs um einen schaebigen Tisch in einer noch schaebigeren Pizzeria in der Dimitroffstrasse. Nach einigen vielen Bieren und dem beliebten Spiel >kennst den Film, wo der Dings mitspielt, na der der ooch in dem andern Du weesst schon< beschlossen diese vier lustigen Gesellen, eine Veranstaltung ins Leben zu rufen, auf der Freunde Freunden Filme zeigen koennen und nannten es, man hoere und staune, Filmklub. Genauer gesagt: Filmclub 58.

Echt irre abgefahren kreativ war das. Und weil das viele Freunde auch dachten kamen die auch gleich sehr zahlreich, manchmal bis zu vier gleichzeitig. Es gab zwei Filme hintereinander und an jedem Donnerstag ein neues Begleitheft. Mit der Zeit aenderte sich der Modus und auch der Austragungsort. Neue Kuratorinnen und Kuratoren liessen vor versammelter Mannschaft die Hosen runter.

Mehr und mehr Menschen wollten Teil der Bewegung sein und in den Filmklubverteiler eingetragen werden. Leider wussten sie nur nicht mehr, was diese Bewegung eigentlich wollte, weil es ihnen niemand gesagt hatte. Tja, und irgendwann ist den, inzwischen fuenf jungen Maennern wohl der Erfolg zu Kopf gestiegen. Bis zu vierzig Besucher kamen an manchem Donnerstag. Die Aussicht auf ein Leben im Ueberfluss machte die Hitzkoepfe blind und taub gleichermassen. Und ploetzlich wollten sie nicht mehr verantwortlich sein, ein couch-potatoe-Publikum zu unterhalten, ein Kino zu betreiben und begannen sich zu streiten >Das hatten wir so nie gewollt! Wieso versteht uns denn keiner?<. Nun ist das Leben so insgesamt ja ne schoene Sache, bei der sich alles im Kreis dreht und nach dem Motto >huch hier war ich doch schon mal< immer wieder von Neuem beginnt. Und so begriffen unsere tapferen Helden, dass jede Niederlage ja auch die Chance zu etwas Neuem in sich birgt. Angesichts des Scherbenhaufens erwachte in ihnen eine lange verschuettet geglaubte Energie und so schicken sie sich nun an, alles zu veraendern. Schnitt. Perspektivenwechsel. Nun zum Problem: Die urspruengliche Idee des Filmklubs ist uns abhanden gekommen. Zwar ist die Institution immer noch >kostenlos und idealistisch<, wie auf der Umschlagbanderole behauptet wird und ob es sich um >intellektuelles Kino fuer aufgeschlossene Menschen< handelt, mag jeder fuer sich entscheiden. Jedoch entfernte sich, mit der zunehmenden Professionalisierung und Vergroesserung der Veranstaltung, der Filmklub immer mehr von der grundsaetzlichen Idee - Freunde zeigen Freunde Filmen. Im Zuge dieses, sich verselbstaendigenden Prozesses entstand zunehmend der Eindruck, dass die Initiatoren auf der einen Seite die Organisation uebernehmen und mit den Kuratoren fuer die Inhalte verantwortlich sind, waehrend die Gaeste auf der anderen Seite eben einfach nur zu Gast sind. Die Ursachen sind wohl zum Einen in dem zu rasch gewachsenen Verteiler und zum Anderen in der mangelnden Kommunikation zu suchen. Wie auch sonst sollte der Arbeitskollege von der Cousine, der Freundin des Kurators wissen, was sich die Jungs seinerzeit am Stammtisch ausgedacht hatten. Zur Kompensation dieses Problems haben wir versucht, immer mehr Angebote zu machen - ein Widerspruch in sich, und so wurde die Schere zwischen Machern und Gaesten nicht aufgeloest sondern immer groesser. Oft genug blieben diese Angebote auch noch ohne Resonanz und trugen so zur weiteren Frustration bei. Zum guten Schluss haben wir uns dann untereinander gestritten, weil es keinen Spass mehr machte, schon wieder in der Werketage auf- und abzubauen und mussten uns von den Kuratoren berechtigter Weise vorwerfen lassen, mit dem Filmklub nur noch >Schmalspur zu fahren<. Damit soll also Schluss sein! Der Filmklub ist mir schon von Beginn an viel zu wichtig gewesen, als dass ich einfach aufgeben wuerde oder koennte. Ich denke ebenfalls, dass mit einer breiten Diskussion hier und in der Werketage, zu Hause und am Telefon der, von einem unserer Mitstreiter beschriebene Gruendermythos eine Renaissance auf hoeherer Ebene erfahren kann, wenn wir es denn eben wollen. Und zwar genau so lange, bis wir wieder an unsere Grenzen stossen. Doch in diesem Sinne stehe ich fuer unseren unverbesserlichen und anachronistischen Idealismus. Alle, die vergleichbare Erfahrungen mit solchen oder aehnlichen Projekten gemacht haben, sind hiermit herzlich eingeladen sich an unserer Debatte zu beteiligen.

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