Facebook auf dem Prüfstand

Was bringt das soziale Netzwerk Facebook aus dem Gleichgewicht? Die Lektion des Quit Facebook Day lautet: Weder Appelle zum Exodus, noch eine Auswanderungsbewegung selbst vermögen dies. Über 35.000 haben Facebook am vergangenen Montag verlassen, doch von Unruhen war im Netzwerk nichts zu spüren. Dennoch: Massenmedien wie Spiegel und Berliner Zeitung haben davon berichtet, im Netzwerk selbst ist die Anzahl der kritischen Statusmeldungen und Empfehlungen von Artikeln zum Thema angestiegen. In der Berliner Gazette wurde die Aktion zum Ausgangspunkt für eine Diskussion im Forum. Und zum Thema für eine Seminarsitzung. Hier stellten 15 Medienaktivisten das Netzwerk auf den Prüfstand. Dazu ein kurzer Bericht.

In der vierten Sitzung des Seminars Medienaktivismus wurde am 31. Mai kritisch über das soziale Netzwerk Facebook diskutiert. Die allgegenwärtigen Fragen des Datenschutzes dienten als Ausgangspunkt für grundlegende Debatten um Politik und Ethik im Internet.

Konkrete Streitpunkte waren unter anderem 1) das Verhältnis von Facebook zum Internet, 2) die Sozialstruktur der Nutzer, 3) der Schutz Bürgerrechte und 4) Aktivismus auf Facebook und im Unterschied dazu Facebook-Aktivismus (dazu gibt es übrigens eine Broschüre von den Machern der Seite DigiActive).

Recht auf informationelle Selbstbestimmung

Die jüngste Kritik an Facebook richtet sich auf den ersten Blick vor allem gegen den unzureichenden Datenschutz der Netzwerkseite. Doch worum geht es genau? Während 1983 – aus Protest gegen die Volkszählung – das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung in Deutschland etabliert wurde, veröffentlichen Bürger heute freiwillig ihre Daten in sozialen Netzwerken.

Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung wird nun erneut zur Volkszählung 2011 diskutiert. Jedoch rechnet man heute mit weit weniger Protesten als im Jahre 1983. Dabei verfügt eine Firma wie Facebook inzwischen über viel mehr Daten als der Staat jemals gesammelt hat. So wächst wenigstens der öffentliche Druck auf Facebook.

Bei dem gewinnorientierten Konzern ist die Kritik inzwischen angekommen. Facebook verspricht jetzt eine freiwillige Selbstkontrolle zum Schutz der Privatsphäre und bietet eine App an, die den Schutz der privaten Informationen erleichtern soll. Dumm nur, dass Facebook mit wirklichem Datenschutz faktisch gar nicht existieren kann – die Preisgabe persönlicher Daten gehört zur Grundidee des Konzerns.

Sensibilisierung für Datenschutz

So drängt sich die Frage auf, ob die neuerlichen Bemühungen von Facebook nur PR-strategische Maßnahme sind, um ein Abwandern seiner Nutzer zu verhindern oder möglichen Regulierungsideen des Staates zuvorzukommen.

Selbst wenn die Absichten ernst gemeint sind, wäre dem Schutz der Privatsphäre noch nicht viel gedient. Denn nur eine Sensibilisierung der Bürger, wie sie zuletzt im Jahre 1983 den Staat in seine Schranken verwiesen hat, würde einer zeitgemäßen Debatte über den Datenschutz sozialer Netzwerke gerecht werden.

10 Kommentare zu “Facebook auf dem Prüfstand

  1. Ich frage nun mal ein bisschen polemisch: ist die Volkszählung nicht nur ein Surrogat, weil der Staat doch eigentlich die Daten doch schon alle hat?
    Was ich immer so schwer finde bei der Diskussion, dass ich bei Facebook weiß welche Daten ich angegeben habe. Zum Beispiel eine Handynummer, die eh jeder kennt und auch haben darf.
    Aber von staatlicher Seite her weiß ich nicht welche Daten gesammelt und wie ausgewertet werden und ich kann sie auch nicht verhindern. Zum Beispiel hat die Vorratsdatenspeicherung doch bewiesen, dass man sich gesetzliche Grundlagen zur kompletten Überwachung schafft. Weitere Beispiele sind dann zum Beispiel ELENA oder Schulakten. Sorry, aber wenn dann Ilse Aigner bei Facebook austritt ist das doch nur eine Heuchelei und ein Surrogat wie die Volkszählung 2011.

  2. Ich fand Mario Mentrups facebook internen Aufruf bezeichnend: “Wer möchte der Gruppe “Warum gibt es viele Freunde auf facebook, aber warum hat facebook keine Freunde” beitreten?”

  3. Achja, noch ein Kommentar (diesmal nicht so polemisch). Mit einem Professor für Technikphilosophie habe ich mal darüber gesprochen, dass man keinen Datenschutz mehr braucht, sondern einen Datenbewegungsschutz. Dass derjenige dem die Daten gehören, weiß wann sie so abgerufen werden sollen und das auch verhindern kann. Zum Beispiel welcher Arzt auf meine Krankenakte einsehen will. Das klingt nach sehr viel Aufwand und vielleicht auch utopisch, aber soll ein bisschen von der Vorstellung befreien, dass wir unsere Daten noch geheim halten können. Man sollte eher die Weitergabe kontrollieren. Ilse Aigner sollte zum Beispiel nicht bei Facebook austreten sondern lieber mal schauen, wie man verhindern kann, dass Payback-Daten in Vietnam ganz einfach zu kaufen sind.

  4. Fühlt sich die Elite (Verlage, Alpha-Journalisten, Meinungsführer, etc.) von Facebook & Co. bedroht, weil hier alle mitreden dürfen, und haben wir es eben dieser Elite zu verdanken, dass das heimliche Anliegen der facebook-Kritik nicht Bürgerrechte, sondern die hegemoniale Stellung der Elite ist? Diese Frage, wenngleich vom Ansatz her nicht ganz neu, wirft ein Beitrag des Bloggers Tante auf:

    http://the-gay-bar.com/2010/06/01/%E2%80%9Afacebook%E2%80%98-oder-%E2%80%9Adie-wut-des-intellekts-uber-den-publizierenden-pobel%E2%80%98/

Kommentar schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.