Eurogami

Ich bin in Rio de Janeiro/Brasilien geboren, habe dort am Museum fuer Moderne Kunst studiert und war Assistent von Professor Ivan Serpa. Auf Ausstellungen in Rio, in Buenos Aires und in Montevideo folgten weitere in Paris und Rom. Stipendien brahten mich nach Portugal, Spanien und Deutschland, wo ich bei Guenter Fruhtrunk studierte. Seit 1978 beschaeftige ich mich vor allem mit Papiergestaltung, und seit 1981 arbeite ich mit meinem Kollegen Jan Spuetz als Papierdesigner, Veranstalter von Events und Buchautor. Wir gestalten oft fuer Papierhersteller aus deren neuen Papieren so genannte >Eyecatcher<. Das heisst, wir erfinden geeignete Formen fuer die Vermarktung des fertigen Produkts.

Das Falten mit Geldscheinen ist fuer uns eine Randbeschaeftigung. Schon zu DM-Zeiten bekamen wir von Bankiers oder Geschaeftsleuten immer wieder Auftraege, >Geld<-Geschenke zu gestalten. Meist sollte fuer besondere Anlaesse etwas Aussergewoehnliches gefaltet werden wie zum Beispiel fuer eine Hochzeit ein anderthalb Meter hoher >Maibaum< aus 100 Markscheinen, der sich drehen konnte und der bildlich Szenen von der Verlobung bis zur Vermaehlung darstellte. Dieser >Maibaum< wurde so praechtig, dass er staendig bewacht werden musste und leider der Braut die Schau gestohlen hat. Vor der Einfuehrung des Euro fragten wir uns, wie sich wohl die neuen Geldscheine beim Falten machen wuerden. Deshalb haben wir noch vor der offiziellen Verbreitung des neuen Geldes fuer das Magazin der Sueddeutschen Zeitung eine Reihe der beliebtesten Figuren mit den neuen Banknoten gefaltet. Dieser Beitrag fuehrte zu einer Flut von Anfragen, und um nicht staendig die gleichen Antworten geben zu muessen, habe ich mit Jan Spuetz den Band >Eurogami<, veroeffentlicht, dessen Diagramme Hermann Baumeister zeichnete. Robert Kalina hat dem Euro Glanz gegeben, das Papier wertvoll gemacht. Auch der Fotograf der Sueddeutschen Zeitung, Jens Heilmann, war von den neuen Banknoten so angetan, dass er fuer die Aufnahmen eine Makrotechnik einsetzte, um die Feinheiten dieser Geldscheine richtig einzufangen. Natuerlich musste ich viel ausprobieren, um die Zeichnungen der verschiedenen Banknoten bei den gefalteten Objekten optimal zur Wirkung zu bringen. Obgleich Marx von der Waehrung als einem >Spiegel der Gesellschaft< spricht, beabsichtigen mein Kollege Jan Spuetz und ich mit diesem Nebenspross unserer Aktivitaeten sicher keine Gesellschaftskritik. Was natuerlich der private Falter einer Banknote denkt, waehrend er den Goetzen >Geld< knickt, faltet, kleinkriegt und in unerwartete Formen zwingt, ist dessen Sache. Zu Marx in Sachen Waehrung faellt mir jedoch noch eine Anekdote ein: In meiner Jugend habe ich brasilianische Nachfahren von Karl Marx kennengelernt. Sie besassen eine >Fazenda<, wo jeder der Mitarbeiter ein eigenes Haeuschen hatte. Die Tueren standen immer offen. Es gab zwei Kirchen verschiedener Konfession fuer die Kinder und eigene Schulen. Einmal erzaehlte mir ein Mitarbeiter, dass er am liebsten statt der ueblichen Geldwaehrung ein Tauschsystem vorziehen wuerde: Deine Orangen gegen meine Pflaumen. Aber das ist eine ganz andere Geschichte...

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