Endlich wieder ein normales Leben

Fuer mich – und bestimmt nicht nur fuer mich – war 2008 das erste Jahr mit Twitter. Und hier fangen sie schon an, die vielen Merkwuerdigkeiten, die diesen [fuer 2.0-Verhaeltnisse] nicht neuen, sondern alten Dienst markieren: Wenn deutsche wie amerikanische Spezialisten fuers Supernetz noch Ende 2008 ein Kommuniaktionsding erklaeren, ueber das schon 2007 in Zeit und Spiegel geschrieben wurde, dann duerfen wir diesem Ding gegenueber mindestens misstrauisch bleiben.

Mit einem solchen Ding muss etwas nicht stimmen. Vielleicht ist es nicht einmal ein Ding, sondern – Gott bewahre! – schon wieder eines dieser neuen Medien.

Twitter ist schwerer zu erklaeren, als es zu benutzen ist, und das, obwohl es technisch gar nicht viel kann. Schwer zu vermitteln ist, was durch diese spektakulaer einfache Basis ermoeglicht wird, naemlich das Medium; und Twitter ist ja nur der zurzeit vitalste Boden fuer eben dieses Medium: gemeint ist Microblogging. Klar, Twitter hat technisch ganz vorbildlich [nachtraeglich leicht gesagt] die wichtigsten Trends des naechsten Netztes eingebaut: Twitter ist mobil und nicht an den PC gebunden, es ist offen und wie kein anderer Dienst extern erweitert worden. Auf Dezentralisierung duerfen wir durch die Open Source Variante Laconica hoffen.

Auch als Medium zieht Microblogging sein komplexes Potenzial aus Reduktion und Dezentralisierung: Reduziert ist das akzeptable Minimum an Relevanz. Belang ist fuer das Medium belanglos. Das heisst auf keine Art, dass Anspruch und Relevanz ausgeschlossen waeren, sondern dass sie dezentralisiert und individualisiert sind. Aber davon abgesehen: es darf uns freuen, dass das Alltaegliche und Banale wieder Plaetze besetzten kann in einer Welt, die wir durch Medien beobachten muessen. Es ist gut zu sehen, dass Menschen auch essen, reden oder nur twittern. Zumindest ist das Medium nicht der Grund dafuer, dass Leben normal ist.

Meine Top of the Pops 08:

Album

Department of Eagles, In Ear Park
Popoyans, Shukujitsu
Peter Broderick, Home
Lykke Li, Youth Novels
Flying Lotus, Los Angeles
The Battle of Land and Sea, dito
Paavoharju, Laulu Laakson Kukista
Dinky, May Be Later
Autechre, Quaristice
Ezekiel Honig, Surfaces of a Broken Marching Band

4 Kommentare zu “Endlich wieder ein normales Leben

  1. Das Hohelied auf die Belanglosigkeit ist ja aller Ehren Wert und es gibt sicher auch zukünftig Platz für Dinge wie Twitter. Aber irgendwie ist es, dieses Eindrucks kann ich mich nicht erwehren, Hauptsächlich ein Tool für Menschen mit gewissen dioptrischen Anomalien. Verdienst von Twitter ist seine verstärkte Nutzung auch durch Frauen. Damit ist die männlich-nerdige Technik-Domäne etwas durchbrochen. Twitter wird sicher als weiteres Instrument auf dem Weg zur Verbreitung der täglichen Dosis der 15000 Wörter geschätzt…:-) Ansonsten interessieren mich Informationen über den Kauf von Hustenbonbons an der Nachttankstelle in Salzgitter nur sehr eingeschränkt!

  2. Was sind denn dioptrische Anomalien?
    Haben diese etwas mit der Nomalität zu tun?
    Und was könnte es interessanteres geben als den Kauf von Hustenbonbons an der Nachttankstelle in Salzgitter?
    Sie Banause!

  3. die dioptrischen anomalien verstehe ich auch nicht. was genau ist an diesen personen durchsichtig und unnormal? die banalitäten ihres lebens? die zeit und der ort ihres hustenbonbonkaufs?

    alles das wird dann relevant und interessant, wenn man die person, die kauft, kennt und mag. und kennen und mögen kann man am besten die personen, von denen man solche banalitäten erfährt.

  4. Ach Kokolores! Suum cuique! Ich habe doch für alles Verständnis;-) In zwei Jahren redet aber keiner mehr über Twitter! Das ist doch im Grunde Mittelalter! Interessant wird es in China, da begrüsst man sich unter anderem mit der Frage: “Heute schon verdaut?” Und ist an solchen Fragestellungen durchaus sehr interessiert. Ob man das dann auch twittert? Ich bevorzuge übrigens Salbeibonbons vom Spätkauf…

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