Eine Attacke auf die Sinne

Eine kleine Stereo-Anlage, eine, die man im Aldi kaufen kann, 50 bis 100 Euro, kompakt, mit Radio, CD-Spieler und Kassettendeck und abnehmbaren Boxen, kein tolles Design, und erst Recht kein toller Sound. So, dieses Geraet koennen Sie sich jetzt vorstellen und vorstellbar ist bestimmt auch, wie es klingt, wenn man diesen Aldi-Blaster ganz laut aufdreht, richtig laut, so laut wie es eben geht.

Alles scheppert, alles droehnt, die Sound-Architektur der Musik verschimmt, verliert Konturen, wird zum laermigen Nebel. Keine schoene Vorstellung. Aber was, wenn das Ganze nur die Miniatur-Version ist? Im Massstab von 1:100? Ein Albtraum werden Sie sagen und dafuer gibt man noch Geld aus! Hoffentlich nicht auch im Massstab von 1:100!

Letzte Woche Donnerstag am Berliner Postbahnhof. Es ist circa 22 Uhr und winterlich kalt. Das Gebaeude sieht aus wie eine ueberdimensionale Spielzeugkiste. Umringt von Bodyguards, gefrontet von einer 200 Meter langen Schlange [Gaesteliste] und verkleidet mit Licht und Fassadenelementen: Pinkfarbene Quader, eine DJ-Figur im Comic-Stil und so. Vielversprechend sieht es nicht aus, zu aufdringlich wirkt das corporate branding der Telefongesellschaft, die das Event sponsort. Aber drinnen warten Peaches und Hercules And Love Affair. Selbst die Tatsache, dass vorab Santogold spielen soll, stimmt positiv. Warum sollte eine ueberbewertete Newcomerin mit ihren geklauten Ideen die Stars nicht einleiten koennen?

Nach Mittelmass kommt Qualitaet meistens noch besser. Aber dieses Mal geht die Rechnung nicht auf. Das hat verschiedene Gruende. Erstens: Die Vorband Santogold hat Vorbands, die nicht besser als diese sind. Mittelmass gestreckt! Wieviel Stunden wuerde es dauern, bis man endlich auf seine Kosten kommt? Gefuelte 10 Stunden. Soviel war bald klar, denn der grosse pinkfarbene Spielzeugkasten hat die Soundqualitaeten eines uebersteuerten Aldi-Blasters, im Massstab von 100:1. Unertraeglich! Rauf und Runter. Zwischenraeume suchen. Raucherhof. Nichts geht. Ueberall laermiger Nebel. Eine Attacke auf die Sinne. Ein Angriff auf Koerper und Geist. Nach knapp 30 Minuten trete ich die Flucht an, vorbei an Bodyguards, Logos und den Trotteltrauben.

Ein Kommentar zu “Eine Attacke auf die Sinne

  1. Unglaublich, dass ein Technik-Konzern es nicht hinbekommt, die Halle richtig zu bespielen. Aber es war anscheinend auch wichtiger, zackige Kamerafahrten über die Köpfe des Publikums hinweg vorzunehmen… Tja.

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