Durchatmen

Sie blieb am Rand der Strecke stehen. Ihre Arme hingen schlaff am durchspannten Koerper hinunter. Die Luft, alles um sie herum war so dick, feucht, schwer. Ein nasses Hundefell der Himmel. Ihr Atem langsam, dumpf. Die kalte Luft reissend in den Lungen.

Schon seit Tagen hatte sie kein Sonnenlicht mehr gesehen. Dieses Hundefell, das sich Himmel nannte, liess einfach nichts mehr durch. War es Winter, war es Sommer? Wer wusste das schon noch? Niemand ging mehr joggen. Niemand bis auf sie.

Alle waren damit beschaeftigt, sich mit Essen zu versorgen. Lebensmittel zu hamstern. Wer kuemmert sich um seine Fitness, wenn die Welt untergeht? Die Laufstrecke war verschont geblieben. Vollkommen intakt der dunkelrote Gummifussboden, die weissen Streifen, der Fussballrasen in der Mitte. Anmutig lag der Sportpark da. Ein Rest Zivilisation, ein Rest Ordnung. Sie musste an den Super Dome in New Orleans denken. Damals war die Sportstaette zu einem Fluchtort geworden – und zu einem Gefaengnis.

Sie horchte auf. Es gab kaum noch Geraeusche. Wurde alles geschluckt von diesem tiefen Himmel oder machten die Menschen weniger Krach? Sie atmete durch. Die Luft war Wasser. Kam ueberhaupt Sauerstoff in ihre Lungen? Nasses Hundefell. Drinnen wie draussen. Gestank. Doch das Laufen musste sein. Sie musste sicher sein, noch zu leben. Wenn das Blut pulsierte, wenn ihr Koerper erwaermte. Das Pochen zu spueren, bedeute am Leben zu sein. Nicht essen, nicht schlafen, nicht rauchen, nicht lieben. Zu pochen, das war leben.

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