Dompteure in der Sampling-Arena

Manchmal findet man die Themen auf der Straße, manchmal als Schlagzeile auf den Boulevardblättern. Nehmen wir mal das in den letzten Monaten ausführlich ausgewalzte Wort “Dekadenz”. Was bedeutet es eigentlich, wenn es zur Schmähung von Hartz IV-Empfängern oder zur Beschreibung von fetten Römern, die sich den ganzen Tag nur, wie fleischgewordene Hedonismusbots, Trauben reinschieben? Bedeutet es überhaupt noch irgendetwas?

Das sind die Fragen, mit denen sich der Berliner Gazette-Workshop Ge-Kon(nt)texten – Politik in der Sample-Kultur auf der diesjährigen Linken Medienakadamie (LiMA) beschäftigte, unter Leitung von Sarah Curth und mir.

Wie werden einfache Worte zu scheinbaren Repräsentanten komplexer Sachverhalte umkodiert, wie verändert das ihre tatsächliche Bedeutung? Wie verändert das den Diskurs über die großen Themen, in den Medien und in der Politik? Und vor allem: Wie kann man sich, schreibend, dieses Deutungspotenzial erschließen?

Im Zitatnetz

Wichtige Impulse bei der Planung gab der Textbaukasten des Entsetzens von Joerg Offer. Der vielfach diskutierte Autor der Berliner Gazette hatte sich vor mehr als einem Jahr als Reaktion auf den Amoklauf in Winnenden die Pressestatements diverser Parteien, Behörden und Organisation angesehen, um aus langen, sich umschließenden Zitaten einen Text zu schaffen, der die Leere der rhetorischen Bestürzung und die versuchte Benutzung der tatsächlichen Tragödie für eigene Interessen aufzeigte.

Etwas ähnliches wollten wir auch versuchen – ob nun zu Schlagworten wie “Plagiat”, “Griechenland” oder eben “Dekadenz”. Wir brachten Zitatcluster zu Papier, diskutierten über die Haltung der BILD zu Griechenland und US-amerikanische Essayistik. Das Ergebnis: klügere Teilnehmer (darunter David Pachali, Herr der Facebook-Dekadenz) und klügere Lehrer. Ein Erfolg also. Der Workshop soll nächstes Jahr wieder im Rahmen der LiMA stattfinden. Hoffentlich unter logistisch optimierteren Rahmenbedingungen.

7 Kommentare zu “Dompteure in der Sampling-Arena

  1. Aber was heisst “logistisch optimiertere Rahmenbedingungen”? Ihr ward Teil eines Bar Camps oder? Da herrschen ganz besondere Rahmenbedingungen, entweder man kommt damit klar oder nicht.

  2. Leon — Aber die Möglichkeit, auf das Angebot hinzuweisen, im Programmheft oder wenigstens in einer Vorstellungsveranstaltung, ist ja nun wirklich kein außerweltlicher Luxus. Mehr hätte es ja gar nicht gebraucht.

  3. das klingt irgendwie richtig gut; ich wäre gerne dabei gewesen und merke mir schon mal nächstes jahr vor : )

  4. @ Fabian: okay, klar, das ist natürlich wünschenswert; aber ist wohl jedes Bar Camp anders …

  5. ui, da habe ich auch schon so meine erfahrungen gemacht mit barcamps. eher in der hackerrichtung – das gute ist ja, dass man vorher nichts weiß, finde ich, dass es keine planung, keine orga gibt. jeder ist da mit seinem wissen und seinem engangement. der rest ergibt sich von selbst. So war es ja auch bei euch, wenn ich es recht verstehe.

  6. also die LiMA muss man schon verstehen, wenn sie genießen will. Was im Bar Camp stattfindet, wird nicht im Programm angekündigt. Wer ins Programm will, muss sich Anfang des jeweiligen Jahres dafür bewerben. Aber das Bar Camp ist doch auch okay und ermöglicht einem, auch ganz kurzfristig eine Sache auf die Beine zu stellen, die ganz aktuell ins Tagesgeschehen eingreift, wie in Eurem Fall.

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