Digitale Kluft: Zur fortgeschrittenen Entfremdung zwischen Volk und Staat

Während die Digitalisierung in der Gesellschaft immer weitere Kreise zieht, parkt das Parlament gemütlich in der Vergangenheit. Damit entzieht sich die Politik hierzulande ihrer Verantwortung. Und stellt sich aktiv gegen das Volk. Der Unternehmensberater Wolfgang Ksoll kommentiert.

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Sieht man sich auf der einen Seite die massenhafte Nutzung des Internets durch die Bürger an und das Verhalten von Parlamenten, Verwaltungen und Gerichten auf der anderen Seite, kann man zu dem Schluss kommen, dass bei der Digitalisierung der Gesellschaft eine dramatische Entfremdung des verfassten Staates von der Bevölkerung stattfindet.

Als das Internet in Deutschland Ende der 1980er Jahre aufkam, stemmte sich das Bundesministerium für Forschung und Technologie dagegen, dass die deutschen Hochschulen sich an das Internet anschlossen. Der zähe Widerstand in der deutschen Politik gegen die Bevölkerung und gegen die Bürger hat sich seither verstärkt.

Der deutsche Bürger ist Opfer des Staates

Seit Ende der 1990er Jahre wird die öffentliche Verwaltung durch die Politik von den Bürgern abgeschottet. Einzigartig in der Welt, werden mit qualifizierter Signatur, eID vom neuen Personalausweis, De-Mail und nun noch E-Government-Gesetz teure, gegen Europa und gegen die deutschen Bürger gerichtete Zäune um die Verwaltung gezogen, mit dem Ziel die deutsche Verwaltung international zu isolieren und den deutschen Bürger zu einem gegenüber andern Völkern zweitklassigen Opfer des Staates zu machen.

Bei der EU-Dienstleistungsrichtlinie erdreisten wir uns, sie offenen Auges einfach nicht umzusetzen. EU-Ausländer können bei uns nicht „problemlos aus der Ferne und elektronisch“ ihr Gewerbe bei uns anmelden. Offen wird das Recht gebrochen (Art. 8 der EU-Dienstleistungsrichtlinie). Aber effizientes Arbeiten der Verwaltung interessiert das Parlament nicht: 24 Sekunden hat die erste Lesung des E-Governmentgesetzes gedauert.

Die Open Data-Bewegung wird von der Regierung durch Verschleppung, restriktive Lizenzen („no commercial use“) und globale Isolierung durch Nichtteilnahme an der Open Government Partnership boykottiert. Dabei könnten wir die Daten des Staates hervorragend nutzen.

Der Staat lauscht so viel wie er kann

Seit Ende der 1990er Jahre versucht man wie in Iran oder China die Nutzung des Internets zu überwachen. Zweimal hat man für diese Zwecke Kinderpornografie als Vorwand missbraucht. Der vorbestrafte Manfred Kanther, CDU, hat es mit einer Kinderpornosuchmachine 1998 getan, und Ursula von der Leyen 2009 mit einer Totalüberwachung jedes Webzugriffes und mittels Vergleich mit geheimen Listen, die ohne Überwachung durch die Justiz von der Polizei erstellt werden sollten (Übergang der Rechtsprechung von der Justiz auf die Polizei) im Zugangserschwerungsgesetz.

Das Perverse dabei war, dass das Zugangserschwerungsgesetz mit einer großen Mehrheit von CDU, CSU, SPD und FDP beschlossen wurde – letztere haben trotz gegenteiliger Darstellung im freiheitlichen Marketing mit ihren Koalitionen in Bayern und Sachsen im Bundesrat zugestimmt, obwohl ihre jeweiligen Koalitionsverträge eine Enthaltung ermöglicht hätten. Ein paar Monate später haben die gleichen Parlamentarier das exakte Gegenteil beschlossen.

Der Staat lauscht so viel wie er kann, ohne durch das Parlament behindert zu werden, BND-Auslandstelefonüberwachung, G-10 E-Mail-Überwachung, Funkzellenabfrage, Großer Lauschangriff auch auf Ehepaare in ihrem Schlafzimmer, etc. Die Untersuchung des durch den Chaos Computer Club aufgedeckten Staatstrojaners wird von den Datenschützern als geheime Kommandosache gestempelt (VS-NfD). Die Evaluierung der Schily-Pakete (Schily war mal Grüner), die schlimmer sind als der Patriot Act, wird durch das Parlament verhindert.

Das Urheberrecht wurde gebeugt und verstümmelt

Selbst bei amtlichen Werken, die nach §5 UrhG urheberrechtsfrei sind, versucht man durch rechtswidrige Lizenzvergaben die Nutzung von gemeinfreien Werken einzuschränken. Die Privatkopie wurde von SPD-Politikerin Brigitte Zypries verstümmelt. Und die vielen Juristen im Bundestag haben ihren Berufskollegen einträgliche Abmahngeschäfte eingeräumt, die nicht einmal davor zurückschreckten, Kinder zu kriminalisieren. Allein 2012 betrieben die Top 16 Abmahnanwälte über 100.000 Abmahnungen – selbst bei Deckelung ein Multimillionengeschäft.

Nirgendwo außer in Deutschland gibt es die Störerhaftung. Eine Angleichung an internationale Standards wird einfach ausgesessen. Die WLAN-Initiative der SPD der Bundesländer Hamburg und Berlin im Bundesrat hat nicht den einfachen Gesetzentwurf der Digitalen Gesellschaft zur Änderung des Telemediengesetzes (8. Absatz 3 TMG) genutzt und schnell eine Änderung herbeigeführt. Absurderweise hat der Gesetzgeber die Gesetzgebung an die Exekutive outgesourct. Bock zum Gärtner. Bei Schulbüchern wollte man regierungsseitig tatsächlich Lehrer und Schüler heimlich beschnüffeln. Deutlicher als die Kultusministerkonferenz konnte man seinen Geist nicht darstellen.

Das Leistungsschutzrecht (LSR) ist nur ein winziger Bruchteil in der Entfremdung des Parlamentes vom Volk. Der Willen des Volkes wird dort nicht mehr gebildet. Bei Zugangserschwerungsgesetz und ACTA musste der Wille des Volkes auf der Straße in einer APO (Außerparlamentarischen Opposition) verbalisiert werden. Die Parteien haben nicht mehr an der Willensbildung mitgewirkt, sondern sich gegen das Volk gerichtet. Beim LSR wurde das Volk dann müde. Man kann nicht bei jedem Gesetz mit großem Arbeitsaufwand ein entfremdetes Parlament zur Ordnung rufen.

Die Erlebniswelt der Bevölkerung hat sich längst von der des Parlamentes entfremdet. Über die Hälfte der Bevölkerung ist online. Natürlich sehen die meisten Filme und hören Musik dort, wo sie sie bekommen. Sie haben keinen Bock mehr, von den Öffentlich-rechtlichen nur ausgenommen zu werden, die dann vom Parlament auch noch kastriert und die Bürger entschädigungslos enteignet werden. Kultur wird aktiv durch das Parlament verhindert. Steuerfinanziert wird Kulturgut aus dem Markt genommen.

Das Wahlvolk weiß längst, dass die Verschärfungen des Urheberrechts nicht den Künstlern zugute kommt. Wenn nach mehreren Jahrhunderten Urheberrecht Künstler in der Künstlersozialkasse im Durchschnitt 12.000 Euro Jahreseinkommen als Musiker und 15.000 Euro als sonstiger Künstler angibt, weiß jeder wo der Hase läuft.

Das Gestern retten, statt die Zukunft zu ermöglichen

Das Parlament arbeitet mit seiner gegen das Internet, gegen die europäische Integration und gegen die Bevölkerung gerichteten Politik gegen seine eigene Legitimation. Wie beim Kohlebergbau wird versucht, das Gestern zu retten, statt die Zukunft zu ermöglichen.

Der Kampf gegen das Internet ist wie der Kampf der CDU gegen die Solarindustrie und die Windenergie, die Peter Altmaier gerade in Deutschland mit der sogenannten „Energiewende“ tötet. Die Atomenergie steht immer noch als unverzichtbar im CDU-Grundsatzprogramm: „Auf absehbare Zeit kann auf den Beitrag der Kernenergie zur Stromerzeugung in Deutschland nicht verzichtet werden.“ (§ 248) Leitungen, die den Windstrom von RWE aus Borkum Riff ins Netz bringen könnten, werden einfach nicht gebaut und das Projekt von RWE abgebrochen, weil der Strom nicht abgenommen werden kann durch die unterkapitalisierte Tennet.

Wenn ich mir ansehe, dass die SPD auf ihrem Parteitag sich wieder erneut für die Vorratsdatenspeicherung trotz empirischer Belegung der Nichtwirksamkeit ausgesprochen hat und nun im Parteiprogramm auch noch ein Leistungsschutzrecht angestrebt wird, dann glaube ich, dass die überwältigende Mehrheit des Parlamentes im Gegensatz zur Bevölkerung immer noch nicht mit dem Internet und der Digitalisierung zurechtkommt.

Realistisch gibt es da wohl nur zwei Alternativen: Entweder wir sitzen das biologisch aus. Oder wir machen mehr Welle wie beim Zugangserschwerungsgesetz und ACTA. Von alleine wird das Parlament offenbar nicht mehr zur Vernunft kommen. Dort scheint der Widerstand gegen die Digitalisierung zu groß. Ach, gäbe es nur einen Dritten Weg, dass unser Staat schneller wie sein Volk mit dem Internet zurechtkäme!

Anm.d.Red.: Mehr zum Thema in unserem Dossier Staat aus Glas. Die Fotos zeigen Details einer Aufnahme vom Bundesverfassungsgericht, Gebäudeeingang im Dienstsitz Waldstadt, Sitz des Gerichts während der dreijährigen Sanierung des Dienstsitzes Schloßbezirk (voraussichtlich 2011–2014). Fotograf: Matthias Cantow.

21 Kommentare zu “Digitale Kluft: Zur fortgeschrittenen Entfremdung zwischen Volk und Staat

  1. eine spannende Herausarbeitung, eine “digitale Kluft” hatte ich in diesem Zusammenhang noch gar nicht ausmachen können. Sie schreiben unter anderem davon, dass der Staat Ende der 1980er unterbunden hat, dass das Hochschulen ans Internet angeschlossen werden, gibt es dafür Belege bzw. Berichte?

  2. @Magdalena Taube
    Zum einen haben Sie eine Zeugenaussage gelesen :-) Ich war an einer Hochschule zu der Zeit, wurde über OSI finanziert (Evaluierung X.400 Message Handler unter NOS/VE :-), habe aber Internetzugang mit vorbereitet, den Domainnameservice für damals 5.000 Rechner aufgesetzt und Internetschulungen gegeben, was man so macht. (Ich hoffe mein Fehlverhalten ist strafrechtlich verjährt :-)

    Es gab damals drei Hochschulen, die dem BMFT sich nicht fahrlässig subordinierten. Karlsruhe, Dortmund und Köln. Das war der Internetnukleus. In Dortmund (Unido) wurde der kommerzielle Internetprovider Eunet daraus, in Karlsruhe Xlink. Der Professor Zorn, damals Karlsruhe und Xlink hat einen schönen Bericht am Hasso-Plattner-Institut, Potsdam, abgegeben:
    “Hat Deutschland die Internet-Entwicklung verschlafen” (1997) klicken Sie sich durch:
    http://www.hpi.uni-potsdam.de/zorn/publikationen/dik97/die_3_ursachen.html

  3. mich würde interessieren, ob der deutsche Staat nicht auch mal was gutes getan hat in ihren Augen, ich meine, nur schlechtes kann es ja nicht gewesen sein bislang, da muss es doch auch Lichtblicke geben – oder?

  4. @Magdalena Taube
    Prof. Zorn hat 1997 unter dem Titel “Hat Deutschland die Internet-Entwicklung verschlafen?” das ausführlich geschildert. Es ist im Hasso-Plattner Institut online.

  5. @No
    Der deutsche Staat hat viele Dinge hervorragend gemacht: die Bildungsreform in den 1970ern, die Wirtschaftspolitik von Ludwig Erhard in den 1950ern, um das Sozialgesetzbuch beneiden uns viele, die Kooperation der Gewerkschaften hat uns viel Wohlstand gebracht, während in Staaten wie UK Gewerkschaften bekämpft wurden. Man kann eine lange Liste aufstellen. Aber mit der Digitalisierung kommt der deutsche Staat nicht zurecht, es überfordert ihn.

  6. @Wolfgang #2 und #4: Vielen Dank für die ausführlichen Hinweise, in dem Buch “vom Speicher zum Verteiler” schildert Mercedes Bunz die “Geschichte des Interent”, Forschungseinrichtungen aus Deutschland kommen darin so gut wie gar nicht vor, jetzt weiß ich auch warum.

  7. @Wolfgang #5: “Aber mit der Digitalisierung kommt der deutsche Staat nicht zurecht, es überfordert ihn.” — sie schlagen in dem Text vor, dass man das Problem einfach biologisch aussitzen könnte, wie lange müssten wir dann noch warten?

  8. ich denke, etwas äußerst innovatives ist dem deutschen Staat mit der Einführung der Enquette Kommission INTERNET & GESELLSCHAFT gelungen. Das wird einfach, auch in diesem Artikel, nicht gewürdigt.

    https://blog.internetenquete.de/

  9. @Rainald Krome #8
    Na, so ganz innovativ war die Enquete nicht.
    1981: Enquete-Kommission “Neue Informations- und Kommunikationstechniken”
    http://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2011/34078795_kw14_enquete_iuk/
    Es wurde bekalgt, dass Helmut Schmidt, SPD, die Breitbandverkabelung in Städten gestoppt hatte.

    1998 legte die Bundestags Enquete-Kommission “Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft –
    Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft” ihren Abschlussbericht vor:
    http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/13/110/1311004.pdf

    Letztere war nach dem Versuch des wegen Untreue vorbestraften Manfred Kanther, das gesamte Internet mit allen Bildern überwachen zu lassen.

    Die neuere Enquete fand statt nach dem gescheiterten Versuch von Ursula von der Leyen, CDU, (das ist die Tochter von dem CDU-Ministerpräsidenten Ernst Albrecht, dessen Verfassungsschutz ein Gefängnis in Celle durch Bomben in die Luft jagte, um es der RAF unterzuschieben) das gesamt deutsche Web mit jedem Webzugriff jeden Bürgers überwachen zu lassen.

    Den Impact der jüngsten Enquete sieht man sehr schön an dem Blog: seit Juli 2012 zwei kurze Beiträge. Der von Constanze Kurz keine Kommentare, der von Nicole 9. Ich darf da an das Portal https://epetitionen.bundestag.de/ erinnern, wo 150.000 Bürger die Petition gegen das Zugangserschwerungsgesetz zeichneten und heftigst debattierten. Wo sogar ein Administrator zur Ordnung gerufen werden musste, weil er eigenmächtig am Wochenende hunderte von Kommentare gelöscht hatte (oder moderiert hatte, wie man zynisch neudeutsch sagt).

    Was sollen wir denn da bei der letzten Enquete würdigen? Die 8.000 Seiten Bericht, die der Bürger nicht liest? Das fehlende Engagement der Bürger? Oder die fehlenden Ergebnisse, die umgesetzt werden/wurden?

  10. @Magdalena Taube
    Das war eine rhetorische Figur mit den “zwei Alternativen”. Eher an eine Hommage an einen meiner Professoren, mit dem ich mich stritt, wie viele Alternativen man den haben dürfe. Der Altlateiner neigt ja nur zu zweien (alter = der andere). Der Deutsche hat nach Duden aber mehr Möglichkeiten:
    – Biologisch zu warten ist kein gangbarer Weg: man bräuchte mindestens 30 Jahre. Forschungsminister Riesenhuber ist z.B. immer noch im Bundestag.
    – für jedes einzelen Thema eine Volksbewegung zu initieren, ist das Gegenteil von repräsentativer Demokratie: ich delegiere meinen Willen an Parlamentarier und die machen es dann doch nicht? Das macht das Parlament überflüssig.
    – also bleiben nur die dritten Wege: nie war es einfacher, das Parlament und die Regierung zur Ordnung zu rufen. Für die staatlichen Institutionen wird es dank der Digitalisierung immer schwerer, sich wie bisher gegen das Volk zu wenden. Sie haben keine echte Chance mehr, sie können nur noch gegen ihren Amtseid verzögern und den Nutzen des Volkes weiter mindern.

  11. @Wolfgang Ksoll #10: “Was sollen wir denn da bei der letzten Enquete würdigen?”

    Etwa, dass es erstmals auf der ganzen Welt überhaupt möglich war (ganz wie es zum digitalen Zeitalter passt) im partizipativ-offenen Verfahren, Anliegen auf die Agenda der Komission zu setzen.

    Selbst wenn die breite Masse an diesem Verfahren NICHT teilgenommen – überhaupt dieser Schritt, dieses Experiment zu machen, muss als innovativ gewürdigt werden und als Modell weltweit Schule machen. Natürlich muss dieser Ansatz zunächst einmal in Deutschland Schule machen!

    Wenn der Ansatz und dieser Schritt aber nicht gewürdigt werden, dann kann es schon sein, dass die Innovation wegen zu wenig Wellengang untergeht… Na ja, ganz abwegig ist das nicht.

  12. @Rainald Krome

    Also bitte, dann würdigen wir diesen “innovativen” Ansatz. Ich vergesse dann einfach, dass seit vielen Jahren die Bürger auf der Petitionsplattform an Gesetzgebungsverfahren mitwirken können. Wir vergessen dann die 140.000 Zeichner gegen das Zugangserschwerungsgesetz, das erst mit überwältigender Mehrheit von Deutschen Bundestag beschlossen wurde, und in der nächsten Legislatur von den selben Leuten mit überwältigender Mehrheit wieder abgeschafft wurde.

    Wir würdigen und vergessen dann das Gezänk um Adhocracy, das selbst Alvar Freude enttäuscht hat.

    Wir vergessen dann auch die Fakten die Jörg Tauss, der Wirkungslosigkeit von Enquete Kommissionen am eigenen Leib erfahren hat, zu dieser Innovation aufgeschrieben hat:
    http://www.tauss-gezwitscher.de/?p=1989

    Andererseits könnte man nach jahrzehntelanger Erfolglosigkeit auch mal ehrlich sein und sich offen in die Augen und einfach mal fragen, warum tun wir uns so schwer? Warum klappt das bei uns nicht? Man könnte versuchen zu lerne, statt Sand in die Augen zu streuen.

    Die Tatsachen, die Jörg Tauss beschreibt, stehen im krassen Gegensatz dazu, dass der Adhocracy-Einsatz ein toller Erfolg gewesen sein soll. Aber das kann ja jeder selbst beurteilen, da die Fakten offen auf dem Tisch liegen.

    Tauss war übrigens in den 1990er Jahren Vorsitzender des virtuellen Ortsvereins der SPD. Den VOV gibt es nicht mehr, aber dafür den Lauschangriff auf das ehelich Schlafzimmer, dass ein einfacher Polizist bei Gefahr im Verzuge anordnen kann, anders als von Schily mit den zwei Richtern behauptet.

    Um es noch mal im Klartext zu sagen. Die Bürger als Souverän haben kein Problem damit, ihren politischen Willen im Netz zu äußern, aber unsere Professionals haben eines damit, den Willen des Souverän zu respektieren. Steinmeier hat es bei einer Netzpolitik-Veranstaltung des SPD-Bundestagsfraktion auf den Pubkt gebarcht: “Wir dürfen nicht unterschätzen, dass Politiker und Journalisten um ihr Alleinvertretungsrecht kämpfen.”

  13. ich bin ja optimist, wenn es hier in deutschland nicht klappt, wo ist es denn besser? wer kann es denn richtig gut mit der digitalisierung? und ich hoffe die antwort lautet nicht: skandinavien! (die können schon schulen besser, integration und gleichberechtigung …)

  14. @Gizmo
    Natürlich sind die USA ganz vorne. Die haben nicht nur Amazon, Facebook und Google hervorgebracht, sondern auch das Internet selbst. Der Staat ist da wesentlich lockerer drauf: Während bei uns das BMWi 25 Mio € ausgibt, um zu erforschen, ob in 3 Jahren sichere Clouds in D möglich sein könnten, nutzen in den USA hunderttausende Beamte in der Bundesverwaltung seit 3 Jahren die Cloudangebote von Google und Microsoft für Mail.

    Die Engländer sind lockerer: eine E-Mail ist mit Namenszeichenkette oder eingescannter Unterschrift rechtskräftig.

    In der Schweiz kann man mit E-Mail eine Urkundenfälschung begehen, die einen in den Knast bringt. In Deutschland gibt es Urkundenfälschung nur für Papier. Digital nicht so wie es auch kein Briefgeheimnis digital gibt.

    In den Niederlanden gibt es Zugang bei den Kommunen mit User und Passwort. In Deutschland kann man 16 Jahre nach dem Signaturgesetz nicht mal einen neuen Personalausweis bestellen, wenn man immer noch im gleichen Ort wohnt, wo man im Melderegister und ggf. im Standesamt eingetragen ist.

    Beim Copyright kennen andere Länder “fair use”, wir kennen Abmahnanwälte.

  15. ich vermisse ein Statement zu den Staatsmedien. Die sind doch auch ein Gradmesser was die digitale Kluft zwischen Staat und Bürger angeht. Eigentlich sind Ard, Zdf und so ziemlich weit, aber dann dürfen sie auch nicht richtig rein in die Revolution, werden gebremst, weil die freie Wirtschaft interveniert, der Vorworf lautet Wettbewerbsverzerrung. Also das sehe ich auch, dass der Staat will, aber die Wirtschaft stärker ist und am Ende die ENtwicklung auch deshalb blockiert wird. Digitalisierung und Internet als public sector stagniert….

  16. @ike
    Der Hinweis auf den öffentlichen-rechtlichen Rundfunk ist völlig berechtigt. Hier sehen wir das gleiche Syndrom. Einerseits versucht die Politik auf die Inhalte steuernd/zensierend einzuwirken (wie man am Absägen des ZDF-Chefredakteurs Brender durch Roland Koch, CDU, sehen konnte), andererseits werden die Bürger verfassungswidrig entschädigungslos enteignet, indem von ihnen durch Steuern (früher GEZ) finanzierte Werke “depubliziert” werden. Auch hier agiert der Staat gegen den Bürger zugunsten privatwirtschaftlicher Einzelinteressen. Wie das Urheberrecht missbraucht wird, um Kultur durch öffentlich-rechtliche zu schädigen habe ich hier dargestellt: http://wk-blog.wolfgang-ksoll.de/2012/05/sherlock-holmes-das-dartmoor-und-das-urheberrecht/

  17. Es ist nur ein Beginn, auf die Entfremdung hinzuweisen. Denn die wächst schon seit langem, sie gehört praktisch zum genetischen Code des Bismarck-Staates.

    Bitte weist auch auf etwas noch Wesentlicheres hin:
    Wie gelangen solche Personen denn ins Parlament rein?
    Die Ursache liegt doch in deren gesamter Lebensgeschichte und Karriere, die vom weiteren Umfeld wehrlos und hilflos toleriert wird.

    Es geht also um die andauernde Reproduktion dieser Verhältnisse, die man als “social cancer” bezeichnen kann.
    Kein kleinerer Ansatz wird etwas nützen, als diese entfremdeten Personen bereits im Schulalter entweder in die Solidarität und das Gemeininteresse herein zu zwingen, oder ihre Karrieren abzuschiessen, mit aller sozialen Brutalität und Schläue, zu der sich nun nicht bloss dieses Parlament, sondern auch jeder der sich tunlichst dagegen wehren will, bekennen muss.

  18. @#12+13: “Kaum ein Parlament dieser Welt hat sich derart intensiv mit netzpolitischen Fragestellungen beschäftigt, wie wir es seit Anfang der Legislaturperiode getan haben. Die Netzpolitik ist in der Mitte des Parlaments angekommen und das ist der EIDG zu verdanken.” Konstantin von Notz am 18.4.2013 im Plenum des Deutschen Bundestages im Rahmen der “Debatte” über die Ergebnisse der Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft (EIDG).

  19. @20
    Und das Ergebnis? Dieses Parlament hat
    – hat das Zugangserschwerungsgesetz verabschiedet und ersatzlos wieder gestrichen
    – eine verfassungswidrige Vorratsdatenhaltung beschlossen
    – ein absurdes Leistungsschutzrecht beschlossen (Steinbrück nannte es “Unfug”, Rotgrün aus NRW ließ es passieren im Bundesrat
    – heute wurde ein europafeindliches E-Governement-Gesetz in 3. Lesung beschlossen (tagsüber bejubelte man die 2.000 Seiten Papier der EIDG, nachts winkten zwei Hände voll Abgeordnete die nationale Isolierung durch: kein EU-Bürger kann rechtsverbindlich mit deutschen Behörden kommunizieren, weil sie weder qualifizierte Signatur, noch eID noch De_Mail bekommen in ihren Heimatländern: die Trutzburg schließt sich ab). Es wurde heute beschlossen, die EU-Dienstleistungsrichtlinie weiter zu boykottieren (Artikel 8)
    – beim Datenschutz soll in der EU beschlossen werden, dass deutsche Bürger im Urlaub in der Türkei oder deutsche Soldaten in Bali keinen Datenschutz bekommen, weil man sich scheut, in einem globalen Medium endlich einen globalen Datenschutz anzugehen
    – die Untersuchungen über den Bundestrojaner werden von gründen Datenschützern als Verschlusssache geheim vor der Bevölkerung gehalten.
    – das Parlament sieht immer noch tatenlos zu, wie Abmahnanwälte 100.000 Bürger im Jahr abzocken
    – die Bestandsdatenauskunft soll schon bei Ordnungswidrigkeiten die kleine Vorratsdatenspeicherung werden
    – ACTA wurde nicht aus dem Parlament und der Regierung beendet, sondern auf der Straße
    Notz hat heute auch gesagt, dass die partizipativen Elemente nicht so weit gehen sollen, dass die Bürger an der Gesetzgebung mitbestimmen sollen. Ja, hatte auch keiner gefordert. Und das Petitionsrecht ist älter als die EIDG. Aber Steinmeier, SPD, hat das konservative Verharren der Parlamentarier in der Gesternwelt schon letztes Jahr gut auf den Punkt gebracht: “Wir sollten nicht unterschätzen bei der Diskussion um das Internet, dass Politiker und Journalisten um ihr Alleinvertretungsrecht kämpfen.”

    Übrigens konnte man heute Abend im Bundestagsstream sehen, wie groß die “Mitte des Parlamentes” ist. Vielleicht 40 von 600?

    Und in England kann man sich immer noch mit einer einfachen Mail rechtsverbindlich an seiner Verwaltung wenden. In Deutschland nach drei Jahren und 2.000 Seiten nicht. Was machen wir also falsch? Warum ist Deutschsein so anders in der Welt?

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