Digitale Commons: Globaler Machtkampf um die Rechte des geistigen Eigentums

Von Medikamenten bis hin zu Software: Urheberrechte und Patentregelungen spielen eine wichtige Rolle. Sie entscheiden über Gleichheit oder Ungleichheit, Gerechtigkeit oder Ungerechtigkeit – insbesondere bei überlebenswichtigen Gütern. Der Philosoph, Theatermacher und Berliner Gazette-Autor Tomislav Medak über den Machtkampf um die Rechte des geistigen Eigentums. Der zweite und letzte Teil seines Essays.

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Urheberrechte und Patentregelungen wurden seit dem Ende des 19. Jahrhunderts international immer weiter standardisiert. Aber erst seit 1994 mit dem Inkrafttreten der TRIPS-Vereinbarung (Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights, dt. Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums) gab es innerhalb der Strukturen der World Trade Organisation (WTO) koordinierte Bemühungen, einer kleinen Anzahl von Industrieländern, die alle Netto-Exporteure von Immaterialgüterrechten sind, die Harmonisierung und Durchsetzung von Urheberrechten, Patentrechten und anderen Rechten des geistigen Eigentums anderen Ländern aufzuerlegen.

Da die Vereinbarung am Höhepunkt der globalen AIDS-Krise in Kraft trat, zeigte sie schon bald ihre Zähne, als Südafrika nach vorne preschte und eine legitime und legale Zwangslizenz für AIDS-Medikamente einführte – zu einem Zeitpunkt als mehr als 10 Prozent der Einwohner infiziert war –, nur um sofort von 29 internationalen Pharmaunternehmen verklagt zu werden. Diese verkauften AIDS-Medikamente zu einem Preis, der hundert Mal über den Kosten lag, die Südafrika aufwenden musste, um die Medikamente zu produzieren und weit über dem Preis, den sich eine überwältigende Mehrzahl der südafrikanischen Bevölkerung leisten konnte. Dieser Konflikt war der erste zahlreicher Runden von internationalen Abkommen – das letzte davon ACTA –, in denen die Industrie- und Entwicklungsländer um die Bedingungen und menschlichen Kosten der internationalen Harmonisierung von Rechten des geistigen Eigentums kämpften.

Diese Vereinbarungen stellten sehr verschiedene soziale Güter unter das selbe Regulierungs- und Verhandlungsregime von Literatur bis Handtaschen, von Medikamenten bis Software (es war das TRIPS-Abkommen, bei dem Computerprogramme den international einheitlichen Status und Copyright-Schutz als „literarische Werke“ erhielten). Wieso sie in einen Topf geworfen wurden, wird klar, sobald wir verstehen, dass die Ausdehnung der Rechte des geistigen Eigentums über Medikamente, Wissen und Kultur und der Druck zur internationalen Vereinheitlichung der rechtlichen Regulierung und der Einführung von strengen Immaterialgüterrechten in den weniger entwickelten Teilen der Welt ein verräterisches Beispiel dafür ist, wie die sich ausdehnenden Kreise von Vermögensrechten, Kommodifikation und rechtlicher Regulierung dazu dienen, zunächst Märkte als Werkzeuge von Enteignung und Disziplin zu etablieren und erst später als wirtschaftliche Einrichtungen.

Diese Strategie der Erkundung von Geschäftsgelegenheiten und ihre disziplinierenden Effekte wird klarer, wenn wir uns das Beispiel von proprietärer Software anschauen. Dort wurden Raubkopien – als eines der wichtigsten Ziele der weltweiten Kontrollregimes von Rechten des geistigen Eigentums – von den Rechteinhabern zunächst toleriert. Es ist eine Strategie, um De-Facto-Monopole für Betriebssysteme, Standards und Anwendungen international durchzusetzen. Gleichzeitig drängte man auf strengere gesetzliche Regeln, auch in Ländern, in denen die schwache bis nicht vorhandene Kaufkraft der lokalen Märkte den Bedarf nach Regulierung und Ausweitung nicht nötig erscheinen ließ. Dadurch entstand eine Form von weltweiter Marktkonzentration, die es erlaubt, hohe Profite einzufahren, wenn das Produkt endlich monetarisiert werden kann. Für diejenigen, die vom Balkan kommen, wo Raubkopien über Jahre die Norm waren, wird dies eine bekannte Erfahrung sein.

Doppelter Charakter des Kapitalismus

Diese neuen Einhegungen, die von den kapitalistischen Zentren aus in der ganzen Welt betrieben werden und die die Unterschiede in der wirtschaftlichen Macht zwischen Ländern und sozialen Schichten ausnutzen, zeigen einen doppelten, komplementären Charakter auf, den das Midnight Notes Collective schon 1990 in ihrem Buch „The New Enclosures“ beschrieben hat.1 Der Ausschluss von den Produktionsmitteln und die Schaffung von neuen Eigentumsverhältnissen in der Peripherie wird immer ergänzt durch die Prozesse der Kommodifizierung – die Zur-Ware-Machung – und Kommerzialisierung, die auf die Arbeiterklasse im Zentrum abzielt. Dieser doppelte Charakter kann als strukturelle Eigenschaft des globalen Kapitalismus angesehen werden: Seine Fähigkeit, Klassenkämpfe an einem Ort zu ersticken, indem er seine Tätigkeiten weltweit rekonfiguriert.

Wie schon zu Beginn gesagt wurde – und es muss wiederholt werden: Der Großhandelscharakter der internationalen Regulierung von Rechten des geistigen Eigentums bedeutet, dass die aufkommende Debatte über den Schutz von urheberrechtlich schutzbaren Werken in der digitalen Welt einen Vorwand oder Anlass bietet, den Schutz auch über überlebenswichtige materiellen Ressourcen und den Ausschluss von breiten Teilen der Welt vom Fortschritt in Bezug auf Wissen, Technologie, Medizin und so weiter zu verfestigen. Das geschieht unter anderem durch diese parallelen Schaltkreise von Zwangsakkumulation und Kommodifizierung in Bereichen so unterschiedlich wie Softwareproduktion, wissenschaftlichen Verlagen, Produktion von Medikamenten oder Lebensmitteln.

Weil die internationalen Verträge zu den Rechten des geistigen Eigentums einschneidende Auswirkungen für das Überleben von Bevölkerungen und für den Wettbewerb der nationalen Ökonomien – die zum größten Teil in einer Position der Abhängigkeit von Rechten des geistigen Eigentums sind – auf dem globalen Markthaben haben, haben sie im globalen Süden vor allem linke Bewegungen, aber auch Wissenschaftler, Aktivisten und Experten in Bewegung gesetzt, sich diesen Verträgen zu widersetzen. Sie alle arbeiten zu Themen wie Zugang zu Nahrung, Medikamenten, Wissen und Kultur. Es ist ein Konflikt, der noch andauert. Wie wir zuletzt mit dem ACTA-Abkommen gesehen haben, versuchen die entwickeltsten kapitalistischen Wirtschaftsmächte inzwischen, multilaterale Foren, wie die Welthandelsorganisation WTO und die Weltorganisation für geistiges Eigentum WIPO (World International Property Organisation) zu meiden. Sie tun es, da ihre Abkommen dort gescheitert sind und nicht die erwünschten Ergebnisse produziert haben. Stattdessen versuchen sie, Schutzmaßnahmen durch bilaterale Vereinbarungen durchzusetzen, durch die sie – bisher erfolglos – versuchen, die Allianzen, die sich ihren Zwang widersetzt haben, zu brechen.

Relative Autonomie der gemeinschaftlichen Produktion innerhalb des kapitalistischen Systems

Lassen Sie mich nun wieder zurückkehren zur freien Software mit der Frage, wie eine relative Autonomie eines Bereichs der gemeinschaftlichen Produktion ohne ausschließliches Eigentum innerhalb der fortdauernden Verhältnisse des real-exisitierenden Kapitalismus aussehen könnte? Wäre sie überhaupt möglich?

Es wird mehr denn je deutlich, dass freie Software weit davon entfernt ist, eine disruptive Kraft innerhalb der Entwicklung des Kapitalismus und der Technik zu entwickeln. Sowohl weil ihr Modell nahtlos in die Geschäftsmodelle von großen kapitalistischen Unternehmen eingegliedert werden kann, als auch weil die Entwicklung der Informationstechnologie die Idee von Software als abgegrenzte und reproduzierbare Ware, die durch Urheberrechte geschützt ist, weniger relevant gemacht hat.

Trotzdem kann uns freie Software – wenn wir uns den historischen Kontext anschauen, in dem sie sich herausgebildet hat – Einsicht geben, wie ein Versuch, ein autonomes Projekt innerhalb der kapitalistischen Welt zu realisieren, aussehen könnte und an welcher Stelle freie Software als autonomes Projekt scheitert. Wenden wir uns Richard Stallmans eigener Darstellung der Entstehung des GNU-Projekts in den frühen 1980er Jahren zu – und ignorieren seine politische und ethische Rechtfertigung von Software als Redefreiheit und Pflicht dem Mitmenschen zu helfen. Wir sehen uns einer Geschichte gegenüber, die einen präzisen Bericht über die ursprüngliche Akkumulation durch die Trennung der Arbeiter von den Produktionsmitteln bietet. In diesem Zeitraum begannen die IT-Unternehmen zu verstehen, dass Software ebenfalls zu Ware gemacht und als separates Produkt verkauft werden konnte, getrennt von der Hardware, der sie vorher kostenlos beigegeben wurde. Aber um das zu erreichen, musste der Programmcode geschlossen und die Softwareprogrammierer, die bis dahin gemeinsam an den Programmen gearbeitet haben – meistens in Forschungsinstituten und an Universitäten – vom Zugang ausgeschlossen werden.

Indem Stallman das GNU-Projekt anstieß und die GNU General Public Licence entwarf – ein legales Dokument, das die Copyright-Regelungen dazu verwendete, sie gegen ihr eigentliches Ziel, ausschließliche Eigentumsrechte zu erzeugen, zu wenden –, entwickelte er einen Prozess, der darauf zielte, Enteignung und Kommodifizierung zu verhindern. Anstelle dessen sollte er den Gebrauchswert vergrößern und den Mitgliedern der Gesellschaft erlauben, Kontrolle über die Software zu bekommen, die so viele der gegenwärtigen sozialen Prozesse steuert. Wo freie Software ganz offensichtlich gescheitert ist, ist im Zusammenprall mit der Fähigkeit des Marktes, auch widerständige Projekte zu transformieren und zu integrieren. Weiter und noch viel wichtiger ist das Scheitern, das Auskommen der Programmierer zu berücksichtigen, freie Software als öffentliches Gut zu verfechten und dafür einzutreten, dass mehr materielle und immaterielle Güter gemeinschaftlich produziert werden müssen.

„Commons-based peer production“

Dekommodifizierte Bereiche der Produktion innerhalb eines kapitalistischen Systems sind bedeutungsvoll, haben aber auch bedeutende Beschränkungen. Angesichts der Gefügigkeit von „commons-based peer production“ in Bezug auf die kapitalistische Wertschöpfung und der Tatsache, dass sie leicht als positiver externer Effekt sowie als Ergänzung oder als kostenloser Input in den Prozess der Warenproduktion einbezogen werden kann, bleibt das anti-systemische, disruptive und transformative Potential beschränkt. Trotzdem erreicht die „commons-based peer production“ einen gewissen Grad an Unabhängigkeit von Geld und stellt gewissermaßen einen autonomen Bereich gemeinschaftlicher Produktion dar. Damit diese Formen der gemeinschaftlichen Produktion überleben können, müssen wir einen Weg finden, sie in ein breiteres System der gemeinschaftlichen Produktion einzubetten und zu entfalten – als eine Ergänzung zu öffentlichen Dienstleistungen etwa – anstatt sie den Marktmächten zu überlassen, die sie ausnutzen.

Wie schon festgestellt wurde, hängen die Kommandohöhen des modernen Kapitalismus von den Monopolansprüchen ab, die vom geistigen Eigentum erzeugt werden. Sie sind mit die wichtigsten Generatoren von Ungleichheit und Ausschluss, die die Gesetze der Bewegung des kapitalistischen Wachstums und der Akkumulation vorantreiben. Um das kapitalistische System aus den Angeln zu heben, muss man die Macht über Wirtschaft und Demokratie verstehen, die diese Agenten des Monopolkapitals ausüben. Dieser machtvolle Drang in Richtung Ausdehnung von strengen Schutzmaßnahmen durch die USA und anderen entwickelten Wirtschaftsmächten, wo diese Agenten zu den größten Unternehmen mit übermäßiger Lobby- und Finanzmacht über die Regulierungsbehörden und die Politik gehören, zeigt einen Punkt auf, wo Aktivisten in abhängigen kapitalistischen Ländern wie dem Balkan, wo die Bevölkerung durch strengere Schutzmaßnahmen ihren Zugang zu fortgeschrittenem Wissen und medizinischen Erkenntnissen zu verlieren hätte, ansetzen können.

Sie können ihre Regierungen unter Druck setzen, Allianzen mit weiteren solcher Länder einzugehen, sich der Vereinheitlichung der Rechte des geistigen Eigentums zu widersetzen und für mehr Ausnahmen für ihre Bevölkerung zu kämpfen. Für diese Länder ist dies eine Aufgabe, die direkt mit ihrer wirtschaftlichen Abhängigkeit und gehemmten Entwicklung verbunden ist. Zudem müssen die Aktivisten ihre Regierungen dazu anhalten, sich dafür einzusetzen, dass die Rechte des geistigen Eigentums international aufgespalten werden und einzeln verhandelt werden müssen, da kulturelle Werke und Design-Produkte ganz andere sozioökonomische Aspekte berühren als landwirtschaftliche Produkte oder Medikamente.

Schließlich müssen wir soweit wie möglich Praxen entwickeln, die gesetzesgemäß – manchmal auch außerhalb der Gesetze – auf möglichst breiter Basis Commons schaffen, um die Autonomie der Geldökonomie voranzutreiben, den Nutzwert von geistigen Werken zu maximieren, die Ungleichheit und Ungerechtigkeit wirtschaftlicher Hindernisse zu überwinden und die Widersprüche des Systems hinsichtlich der Rechte des geistigen Eigentums bis an ihre Grenzen zu bringen. So lange bis die Überwindung des Kapitalismus nicht vollständig ist.

Anm.d.Red.: Der erste Teil des Essays ist hier erschienen. Die Fotos stammen von Mario Sixtus (cc by 2.0).

5 Kommentare zu “Digitale Commons: Globaler Machtkampf um die Rechte des geistigen Eigentums

  1. Ich halte die Ansicht illusorisch, dass benachteiligte Länder in internationalen Foren für ihre Interessen kämpfen, eher kämpfen die politischen Eliten auf dem Ticket ihres Landes für ihre eigenen Interessen. Darum ist auch die “Allianz der ausgebeuteten Staaten” um es mal so zu nennen, zum Scheitern verurteilt.

    Vielmehr sollte beim Thema Lobbymacht angesetzt werden und für Commons-freundliche Politiken lobbyiert werden. Das leisten zivilgesellschaftliche Organisationen schon hervorragend, und hier muss man weitere Ressourcen mobilisieren. Commons sind vor allem da mächtig, wo sie mit der Flinte auf die Cashcows zielen. Wenn Deutschland in Commons investiert das nutzt das eben auch Afrika, Balkan usw.

    Ein Land, das eine halbe Milliarde für anders versagende Sturmgewehre investiert, kann auch eine halbe Milliarde ausgeben um Deutschland aus der Abhängigkeit von Microsoft Office zu befreien.

  2. Im arbeitsteligen Weltsystem die Macht globale wirtschaftliche Geschäfts- und Konkurenzbedingungen zu setzen ist nich gleich verteilt. Der Ton des Entwicklungsmodells, wo mehr und mehr kommerzialisiert werden muß, wird von den Ländern gegeben, die unter diesen Bedingungen von ihrer wirtschaftlichen Übelegenheit am meisten profitieren können und tatsächlich proitieren, die Vereinigten Staaten allen voran. Deutschland aber hinkt dabei den USA kaum hinterher. Während an der heimischen Front viel z.B. über erneuerbare Energieguellen, im Ausland muß man sich eben so ausbeuterisch verhalten, wie es die heimische Konjunktur, Lobbymacht der Unternehmen und die politische Stimmung benötigt. Das hat sich wohl im Fall von Griechenland gezeigt, wo massives Kommerzialisierungs- und Privatisierungsprogramm auferlegt worden ist.

    Ich würde Hoffnung nich einzeln oder gar überwiegend auf zivilgesellschaftliche Lobbymacht legen, denn Industrie kann immer mehr Resourcen dafür herauszugeben. Andererseits wäre es nicht für einige benachteiligte Länder gewesen, z.B. Venezuela, Ecuador, Brasilien, die sich für weniger marktorientierten und ausbeuterischen Sozialmodelle eingesetzt haben, wären die Commons gar kein Thema für die Politik in Europa. Dennoch soll man weder alle Hoffnung auf benachteiligte Länder legen — die kommen leicht unter externen politischen und internen wirtschaftsbedingungensetzenden Druck, frühere Ungleichheit und Armut macht das politische Prozess anfällig, usw.

    Letztendlich bin ich der Meinung, dass man unter Umständen ohne internationalen Allianzen und Solidaritäten strategisch nicht viel erzielen kann. Die messen sich immer an der einzelnen Situation. Wenn man aber die zivilgesellschaftliche und politische Commonsdebatte in Deutschland beobachtet, bekommt man den Eindruck, daß der politische Asprechpartner meist eben die lateinamerikanischen Regierungen sind — und kaum die eigene Regierung. An der politischen Heimatfront verfallen damit die Commons zum Thema Entwicklungsländerhilfe und das eigentliche Thema vom einheimischen Kapitalismus and kapitalistischen Weltsystem kann verschwiegen werden. Deswegen geht das Eine nicht ohne das Andere.

  3. Ich kann weniger erkennen, dass die linkspopulistischen Regime in Südamerika in Sachen Commons echte Beiträge leisten. Commons sind Güter für die *Noosphere*, und können am besten von denen erzeugt werden, die auch sonst am meisten produzieren. Klientelistische Regime mit Rot-Branding leisten da nichts außer Selbstbespiegelung. Vor allem aber: Ich kann nur in meiner eigenen Kultur ansetzen, weil ich die verstehe und da ein wenig am Hebel der Macht sitzen kann. Südamerikanische Politik habe ich seit jeher als Zeitverschwendung angesehen, viel Drama, viel Antagonismen und präfaschistischen Gemeinschaftsgeist, aber eben wenig Outcome, das ist mir kulturell fremd.

    Nosphere heißt “global” wirksam, aber zu gleich nicht “global” gesteuert. Wenn ich die 6 Milliardste Stelle von PI berechne und das Ergebnis veröffentliche, dann ist dieses Wissen Commons. Es gehört potenziell der ganzen Menschheit und jemand in Belize braucht das nicht nochmals zu berechnen, er profitiert direkt. Nutznießer von Commons ist immer potenziell die ganze Menschheit, ohne dass wir von Entwicklungshilfe reden.

  4. Die “Noosphere” ist immer an materielle Basis gebunden und mit ihr zutiefst verflochten. Die materielle Basis ist global aber höchst ungleich verteilt. Wenn man das nicht mitdenkt, dann verfällt man dem okzidentalen Idealismus. Das Wissen, wenn man schon von den Kleinigkeiten wie der Preis der wissentschaftlichen Journals absieht, kann nur Anwendung finden wo der Stand der Forschung, technologischen Entwicklung und Industrie es erlaubt. Ein Belize hat wenig nutzen für die 6 Milliardste Stelle von PI, ein Google viel mehr. Außerdem ist es höchst unkonventionell die Commons nur auf Noosphere zu reduzieren — welch auch die operative Definition von Commons sei (zB. in der neoklassischen Wirtschaftswissenschaft sieht man Wissen eher als öffentliches Gut und nicht Gemeingut/Commons), Commons sind auch solche kaum noumenale Güter wie Wasser, Energiequellen, Fischereien, usw., usw. Also von der Knappheit der Resourcen und der Ungleichheit der Verteilung geprägt.

    Die linkspopulistischen Regierungen in Südamerika haben viel getan, um die Armut zu bekämpfen, und haben auch viel mehr auf Commons gesetzt als entwickelte Länder, denen eine Umwandlung zu solidären Wirtschaft viel leichter durchsetzbar wäre aber (wirtschaft)politisch gar uninteressant sei. Diejenigen, die den jeweiligen spezifischen politischen Kontext halt auf Klientelismus oder faschistische Tendenzen reduzieren, sind entweder diejenigen, die in letzter Konsequenz sich die Eliten zurücksehnen, die in diesen Ländern auf Jahrzente die Plünderwirtschaft, Ausbeutung und Armut reproduziert haben, oder an den Kontext einen liberalpolitischen Maßstab anbringen, der gar in den westlichen Demokratien mehr verblendet als erklärt. So ist beispielsweise die deutsche Wirtschaftspolitik im Ausland von der Perspektive “schwäbischen Hausfrau” an der heimischen Front nicht zu entkoppeln und das ist eben Populismus und Gemeinschaftsgeist — der ist immer ein Teil der auf Volkssouveränität basierenden politischen Systemen.

  5. Dann verwendest Du einen anderen Commons Begriff als ich. Für mich sind Commons “öffentliche Güter” im ökonomischen Sinne. Wasser, Energie, öffentliche Daseinsvorsorge usw. fällt dann raus. Das macht aber nichts, weil es in Deinem Artikel oben ja um Digitalgüter ging, also Güter mit den Eigenschaften öffentlicher Güter.

    “So ist beispielsweise die deutsche Wirtschaftspolitik im Ausland von der Perspektive “schwäbischen Hausfrau” an der heimischen Front nicht zu entkoppeln…”

    Das ist ein Altkeynesianerslogan. Die haben trotzdem keine Lösung für Hold-Up Probleme. Deutsche Wirtschaftspolitik ist traditionell ordoliberal, das versteht man in Österreich, wo es allgemeines Vorverständnis aller politischen Kräfte ist, aber sonst nirgendwo. Das Konzept Zuckerbrot und Peitsche wird gerne auf das Zuckerbrot verkürzt. Konzerne wollen Subventionen aber keine Regulierung, Bürger Leistungen aber keine Steuern zahlen, Pleitestaaten Geld aber keine Troika usw. Dafür sind Neoliberalismus und Keynesianismus anfällig, Ordoliberalismus dagegen setzt die Ordnungsmacht des Staates für alles Marktgeschehen voraus, das sich unter seiner Ordnungsmacht überhaupt erst entfalten soll.

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