Die Zombies des Tourismus

Spaetestens seit der zweiten Haelfte des 20. Jahrhunderts werden die unterschiedlichsten Versuche unternommen, um den verschwundenen Koerper des karibischen Inselbewohners wiederzufinden. Vor allem die Touristik ist mit diesem Vorhaben beschaeftigt. Sie reanimiert vergessene Braeuche, kostuemiert Performer und setzt vergessen geglaubte Taenze neu in Szene.

Die Branche, bekanntlich die zweitgroesste der Welt, hat durchaus Erfolg damit. Vor allem dort, wo Christoph Kolumbus die erste Stadt in der Karibik gruendete, und wo heute, uebrigens nicht ganz unumstritten, seine Gebeine liegen: in Santo Domingo.

Die Festivals, Tanzveranstaltungen und Karnevals fielen am 20. Mai diesen Jahres, seinem fuenfhundertundritten Todestag, mal wieder besonders ueppig aus. Auch die Kreuzfahrten, die nicht zuletzt in deutschen Haefen Kurs auf die damalige Route des Kolumbus nehmen, haben Konjunktur. Unter Hochdruck und mit enormen Mitteln werden die Wunder, die sich dem Entdecker vor mehr als 500 Jahren boten, reproduziert. Auf den Spuren des Entdeckers wandelnd, glauben Touristen, die Riten und Taenze der vorspanischen Aera zu Gesicht zu bekommen.

Etwa, wenn sie auf den Strassen von Santo Domingo, Puerto Rico oder Port of Spain folkloristische Darbietungen erleben. Dass Kolumbus diese Taenze durch literarisch verzerrte Filter erlebte und wiedergab, wollen sie vermutlich gar nicht wissen. Die alles Bekannte uebersteigende Erfahrung ist zu einem durchkalkulierten Konsumprodukt geworden. Zu einer Ware, die nichts dem Zufall ueberlaesst. Die von Kolumbus gepraegten Klischees leben auf diese Weise fort, der Koerper des karibischen Inselbewohners bleibt verschwunden. [Anm.d.Red.: Dieser Text ist bereits der dritte Teil einer neuen Serie in unserer Rubrik Reisen. Fortsetzung folgt!]

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