Die Vergangenheit retten

Es gab einmal eine Zeit, da wirkten manche Fotos wie mit Ultraschall gemacht. Gestern blaetterte ich durch die elektronische Weltgeschichte der Digitalen Bibliothek und verlor mich, so gut es eben ging, in alten Geschichten und vor allem Abbildungen und Kartenmaterial. An einer Stelle war dann folgendes Foto zu finden: Ein Kartensaal aus dem Atomkriegszeitalter.

Das Zeitalter ist ja nicht vorbei. Aber es scheint doch weniger praesent. Unten, im Zentrum des Bildes, sieht man eine elektronische Kamera, die das Ganze abfilmt. Mit Revolverobjektiven. >Das Zentrum der US-Luftabwehr. Kartensaal der atomsicheren Anlage bei Omaha/Nebraska.< Man sieht es sich an und muss feststellen, fast nichts hat sich veraendert eigentlich. Nur die Deckel, die man ueber all das legt, seien es Klangwolken oder Netze ohne Fische, Konsumwelten und anderes Zudroehnzeugs, sind im Wandel. Alle sind sie dann doch nur Surrogate fuer Bekanntes. Naemlich fuer das allgemeine menschliche Unglueck und Versagen ueber alles. Ein unbekannter russischer Fotograf hat diesen Mann an der Drehleier irgendwann einmal im 19. Jahrhundert fotografiert. >Aus der Tiefe, Herr, rufe ich zu dir.< so die Bezeichnung des Fotos. Da treffen treffen totale Technik und der grundsaetzliche Horror an der Existenz aufeinander. Besonders die Fotos aus Russland in der Digitalen Bibliothek sind geradezu frustrierend traurig und zeigen eine Welt in der Daemmerung. Man wird nur schwer sagen koennen, wo das Elend groesser ist. Aber es geht auch weniger wohl um Komparative des Ungluecks als dessen Stetigkeit. Vor hier aus ist es allemal so, als waeren derartige Gedanken ohnehin nur die leichte Spielerei eines Clowns. Das stimmt auch. Dennoch verspuere ich immer deutlicher den Wunsch, die Vergangenheit zu retten - mit all ihren Gefuehlen und anderen Empfindungen. Mit ihrer Schoenheit und ihrer Qual gegen die vollkommene [nicht dialektische] Aufhebung durch das pure Machen im Jetzt.

Ein Kommentar zu “Die Vergangenheit retten

  1. Das ist wohl aber mehr in der Kategorie “Einbildung” zu lagern statt unter “Bildung” – muss ich mal schizophren hinzufügen :-)

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