Die Schlauchboot-Anarchos

Zum Ende des Jahres kommen die Familientreffen. Das kann etwas Nerviges, aber auch ganz Vertrautes an sich haben. Konzerte von Mutabor, wie das vergangenen Samstag im Astra Kulturhaus, fuehlen sich genau so an. Mutabor? Gibt es die denn ueberhaupt noch? Haben die sich nicht getrennt? Sind die jetzt wieder zusammen? Für eine Band in der Schwebe, ohne neues Album, verstehen die Berliner vortrefflich, die Halle der ehemaligen Eisenbahnwerkstatt zu fuellen.

>Abgestandnes Bier<, schmecke schal. Mit der alten Erkenntnis springt Axel Steinhagen auf die Buehne. Die koerperliche Arbeit beim Vortrage der Stuecke ist ihm anzusehen, am Ende wird er halbnackt und verschwitzt sein. Wie bei Familienfesten ueblich, werden die bekannten Lieder abgesungen, die wohleintrainierten Posen exerziert, im rechten Moment ruft der Chor: >Das ist Anarchie!< Axel laesst das Publikum sich teilen, wie das Rote Meer. Die Masse in der Hand des Saengers, wie sonst bei Scooter-Konzerten. Auch wenn Axel zwischendurch etwas von Klima, Banken und Hunger ins Mikro saeuselt – die Schmetterlinge an der Wand lassen die Versuche des politischen geradezu laecherlich wirken. Mutabor sind nun mal hoechstens anarchisch; nicht politisch. Große Ballons in Herzchenform werden in das Publikum geworfen. Bilder, die eher vom Weihnachtsfest der Volksmusik stammen. Schliesslich treibt ein Maedchen in einem Schlauchboot ueber die Publikumsmasse. Das Bild ist ausgelutscht, seit Till Lindemann einst zu >Seemann< im Gummiboot ueber das Publikum der Wuhlheide ruderte. Doch hier fehlen die Ruder: das Befehlende und Dumpfe der kruden Nationalromantiker. So wird die tanzbare Nummernrevue eine schoene Groteske. Vielleicht setzen ja Mutabor jetzt fort, was Knorkator einst begonnen haben: erfrischenden Wahnsinn.

2 Kommentare zu “Die Schlauchboot-Anarchos

  1. Mann oh Mann – das war das tollste Konzi was ich seit langem erlebt habe.Warum willst du es hier verreissen? Axel verfolgt sehr wohl politische Anliegen, aber auf eine intelligente, satirisch-lockere Art.
    Ich habe die Mutaboris das erste mal erlebt und bin jetzt “DER FAN”
    Schade, das ihr dieses Erlebnis so runtermacht.
    appelschnut

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