Die Pferde zurueck in die Stadt!

Der Unterschied zwischen Jugend- und Erwachsenenkultur ist keine Frage des Abstraktionsniveaus. Meine interessantesten Begegnungen hatte ich als Jugendliche in einem Reitstall bei mir um die Ecke, der von pubertierenden Tengelmann-Lehrlingen dominiert war. Die waren vormittags bei Tengelmann und nachmittags zogen sie ihre schicksten Sachen an, es war tiefste 80er Jahre, und hingen zwischen den Pferden ab. Die interessierten sich fuer Pferde, aber besonders auch fuer Stil: Blitz-Ohrringe, Schminke und neonfarbene Sweatshirts. Das musste ich erstmal zusammen kriegen: Neon und Pferde.

Die Lehrlinge gehoerten der >Unterschicht< an, wie man das heute nennt, aber sahen dabei viel cooler aus als ich, die Abiturientin. Das haben sie mich im Reitstall auch spueren lassen, diese Ueberlegenheit in Stilfragen. Mein Vater allerdings, der mit mir am Wochenende ausgeritten ist, hatte so Angeber-Autohandschuhe aus Leder. Die haben die Lehrlinge akzeptiert. Da habe ich kurz ueberlegt, ob es weniger ums Reiten als vielmehr um Autohandschuhe geht. Die Interessen haben sich auch spaeter bewaehrt. >Horsing around< heisst Quatsch machen. Beim G8-Gipfel in Heiligendamm haben wir versucht, mit Pferden ueber den Zaun zu springen. In St. Petersburg haben wir in der Silvesternacht Hufspuren auf die Strassen gesprueht. Die Bilder haben wir Freunden aus Cuba gezeigt, die seit einiger Zeit vom Auto zurueck aufs Pferd umgesattelt haben, wegen den Sprit-Preisen. Die haben das verstanden. >HorseArt< fordert >Pferde zurueck in die Stadt< und >Natur den Staedten – Freiheit den Strecken<. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Frauen sich dabei mehr angesprochen fuehlen als Maenner, weil viele diese Phase der Pferdeleidenschaft in ihrer Pubertaet durchgemacht haben. Man kommt sich fast als Subkultur vor, die ein Geheimwissen teilt: wie toll Pferde riechen, wie elegant sie sich bewegen, wie schnell sie laufen. Wenn kleine Maedchen unsere Hufspuren auf den Strassen entdecken, ziehen sie fast gewalttaetig am AErmel ihrer Eltern, um auf die Spuren hinzuweisen, so, als wuerden sie ihnen in etwas Recht geben. Unsere Vision ist die pferdegerechte Stadt. Die Stadt so umzubauen, dass man wieder gerne durch sie durchreitet. Der Asphalt auf den Strassen muesste weg und Pferdestellplaetze vor die Kinos. Das heisst nicht, dass alle Autos aus dem Stadtraum verschwinden muessen. Die koennen ruhig ihre Arbeit machen. Aber Pferde haben mehr Stil. Und vielleicht treffe ich dann auch mal die Lehrlinge wieder, die inzwischen entweder Filialleiterinnen geworden sind oder von Hartz IV leben.

Ein Kommentar zu “Die Pferde zurueck in die Stadt!

  1. Bei mir daheim, also in meiner Heimatstadt, gehören Pferde zu den tradierten Spezialitäten. In Form von Wurst und Sauerbraten, sehr lecker und gesünder als Schwein, nur am Rande. Pferdemädchen? Der Begriff schwankt doch zwischen Schimpfwort, auch und gerade unter Frauen und sexueller Attraktion für ältere Herren mit juvenilen Fantasien. Um den Begriff “Lolita” mal auszusparen. Hmm, also wenn Rosinante das ernst meint, komme ich mal vorbei und mache den Don Quichote, oder auch Sancho Pansa, wahlweise…schnaub…

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