Die Nacktheit der Illusion

Als der Himmel, der bislang Buehnenhintergrund war, im Vorbei- bzw. Abgang hinuntergerissen wird, ist der erste Akt der Oper Wachsfigurenkabinettan der Volksbuehne zu Ende. Die Pause beginnt, damit also jene Zeit, in der man aufsteht, kurz raus geht, frueher, mehr noch als heute, mit Socializing beschaeftigt ist: Cliquenbildung, Tete a Tetes, etc. Wie auf dem Schulhof. Oder im Kino? Nein, da macht man inzwischen nur noch eins: Konsumieren. Ganz anders die Pause in >Wachsfigurenkabinett<. Hier geht der Vorhang der Hinterbuehne auf, seitlich bezieht ein Klang- und Beatbox- Kuenstler Stellung. Das Licht bleibt an, wechselt allerdings seine Temperatur.

Foto: Thomas Aurin

Should I stay or should I go? Einige Zuschauer scheinen zu zaudern. Der Umbau der Buehne hat begonnen. Hat man vielleicht vergessen, dass wir noch da sind? Die meisten Zuschauer bleiben, machen sich zum Publikum eines Konstruktionsprozesses, der sonst unsichtbar ist und von Menschen bewerkstelligt wird, die sonst unsichtbar bleiben. Die Nacktheit der Illusion wird vom Beatbox-Kuenstler musikalisch untermalt, der einen grossen Reisekoffer aufgemacht hat: Mit der Linken reibt er die darin verstauten Gegenstaende an dem Mikro, welches er mit der Rechten haelt. Die Baustelle raschelt, winselt, aechzt metallisch. Schon mal Noise-Musik gehoert?

Eine andere Frage ist unumgaenglicher: Wo beginnt die Oper und wo endet sie? Die Pause kondensiert, was manche als Ketzerei empfinden moegen, was anderen wiederum eine altgewordene Dame nahe bringt. Diese Oper operiert auf einem schmalen Grat und vermag dabei nicht nur das musikalische Theaterwerk neu zu denken, sondern auch das Theater an sich. Man steppt, hackt ein Bein ab, liefert sich ein pantomisches Duell, klanglich verkoerpert vom Beatbox-Mann. Die Figuren kabbeln sich, oelen sich mit Sonnenmilch ein und singen dabei mit voluminoeser Opernstimme. Irgendwann regnet es Brathaehnchen. Heaven can’ t wait.

Ein Kommentar zu “Die Nacktheit der Illusion

  1. Naja Lust macht sowas ja schon auf mehr von der “guten alten Dame Oper” – aber ich als Opernbanausin habe die Befürchtung, dass die Volksbühnen-Inszenierungen eher die berühmte Ausnahme von der Regel waren. Kann man sowas Cooles auch auf anderen deutschen Bühnen sehen? Das ist eine Frage an die Experten hier im Forum…

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