Die Kunst und das Geld

Dass dieses Jahr offensichtlich schneller fuer mich verging, wie das vorherige, bemerkte ich erst ziemlich spaet. >Koennten wir nicht ihr Honorar fuer das naechste Jahr noch im Dezember ueberweisen?<, wurde ich von einer Institution freundlich gefragt. Und als ich meine Einnahmen und Ausgaben verrechnete, fiel mir auf, dass ich in diesem Jahr viel zu wenig ausgegeben habe. Also sagte ich: >Bitte nicht! Bitte mir kein Geld ueberweisen!< und vergab gleichzeitig zwei Auftraege fuer Videoschnitt und Rahmenbau, um meine Ausgaben schnell noch zu erhoehen.

Von der Finanzkrise habe ich bisher nur profitiert. Gewissermassen bin ich ein Krisengewinnler. Vorher bekam ich nie Geld, wenn Radio, TV oder Zeitungen mich zum Thema Island interviewten. Sie dachten, das sei doch eh nur Werbung fuer den Islandfreund und sein Islandbuch beim Martin Schmitz-Verlag und in der edition suhrkamp. Es stimmt natuerlich auch, aber eben nur auch. Durch die US-Finanzkrise, deren europaeischer Auslaeufer in Island startete, verdiente ich kuerzlich mit Interviews ueber dreihundert Euro. Ist das nicht verrueckt? Fuer Auskuenfte ueber islaendische Elfen, Trolle und Transvestiten bekommt man nichts, aber fuer Auskuenfte ueber die Finanzkrise bekommt man Geld.

Dann wollte ich mich von Schuldgefuehlen erleichtern und das Geld gleich weiterleiten. Bei einem Antiquariat bestellte ich das teure, seltene Buch von Stauffer >Duchamps Schriften I< fuer 280 Euro. Ich orderte per Mail und der mir zuvor unbekannte Inhaber rief an, ob ich nicht lieber tauschen wolle. Tauschen? Ja, und zwar gegen meine eigenen Buecher, Poster und Toedliche Doris-Platten, gern versehen mit Unterschrift. Eine Superidee, ich finde Geld unnoetig. Es macht alles nur kompliziert. Deshalb war ich auch ein grosser Euro-Fan, wegen der Vereinfachung. Im Grunde aber bin ich fuer den Tauschhandel und Abschaffung von Geld. Es wird ja immer behauptet, der arme van Gogh sei zu Lebzeiten so schrecklich erfolglos gewesen. Er musste seine Miete, seine Restaurantrechnungen und seinen Psychiater in Form von Naturalien, sprich: Gemaelden bezahlen. Ich finde, das beweist nur, wie erfolgreich van Gogh schon in jungen Jahren war. Er starb im Alter von nur 37 Jahren. Kennen Sie einen Kuenstler unter 40, der seine Zahnarztrechnung mit Gemaelden bezahlt, seine Miete oder sein Essen? Ich jedenfalls nicht. Wie schmeichelhaft waere es, wenn ploetzlich mein Vermieter statt Geld lieber Kunstwerke von mir haben wollte! Da meine Miete recht niedrig ist, bekaeme er allerdings nur alle drei Monate eine Zeichnung. Immerhin weigert sich mein Frisoer seit ueber zehn Jahren Geld von mir anzunehmen, nur Buecher, Schallplatten oder Zeichnungen. Das nenne ich Erfolg. Ich moechte jedenfalls nicht in der Haut von solchen Finanzkuenstlern wie Damien Hirst stecken, dessen Wert mitsamt seiner Bedeutung zukuenftig ja nur noch rapide sinken kann. Mit diesem diamantenbesetzten Totenschaedel wollte er ja das >teuerste Kunstwerk< der Welt schaffen. Wie plump. Die Medien von BILD ueber die FAZ bis hin zur taz plapperten zwar alle gebetsmuehlenartig nach: >Das teuerste Kunstwerk der Welt<, aber dann flog auf, dass Damien Hirst seinen Diamantenschaedel undercover ueber eine Firma selbst zurueckgekauft hat, um sein Scheitern zu kaschieren. Immerhin hat die Sueddeutsche Zeitung darueber geschrieben. Wenn ich ein extrem ueberschaetzter Kuenstler waere, dann wuerde ich einfach ganz viele Immobilien kaufen, ja, einen kompletten Stadtteil und ihn dann zu >Kunst< erklaeren. Oder sogar ganz Island. Das ist zurzeit relativ billig im Angebot. Die Insel waere dann nicht nur >das teuerste<, sondern auch noch >das flaechenmaessig groesste< und - trotz nur 320.000 Einwohnern - sogar >von meisten Menschen bewohnte< und >vulkanisch aktivste< Kunstwerk aller Zeiten. Und noch vieles andere mehr. Meine Top of the Pops 08:

Ausstellung:

Magnus Palsson, Crystal Ball, Berlin

Video:

Corporate Cannibal, Grace Jones

Musikbuch:

MGG: Musik im Grossen und Ganzen, Frieder Butzmann

Kunstbuch:

Rainer Roth Hier Distans, Robert Fleck

Tageszeitung:

Sueddeutsche Zeitung

Musikzeitung:

WIRE

Langweiligste Kunstzeitung:

Texte zur Kunst

Bester junger Kuenstler:

Ming Wong [Singapur/Berlin]

Beste junge Band:

RobotroN [Berlin]

Album:

Die Nostalgie ist auch nicht mehr das, was sie einmal war, Max Mueller

Peinlichster Artikel:

Der ewige Hitlerjunge, Beat Wyss [ueber Beuys in monopol, Oktober 2008]

Absurdeste Annonce:

citibank und Hedgefondwerbung [in monopol Oktober 2008]

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