Die Grenzen von Bologna

Im vergangenen Monat fand an der Humboldt-Universität der 48. Deutsche Historikertag statt. Auf der fünftägigen Konferenz diskutierte und debattierte die Historikerzunft rund um das diesjährige Motto “Über Grenzen”. Auch an den HistorikerInnen gehen die aktuellen Entwicklungen an deutschsprachigen Unis nicht vorbei und so kam es zu einer kontroversen Auseinandersetzung über den Bologna-Prozess. Berliner Gazette-Autor Sebastian Wein berichtet.

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Der Berliner Historiker Michael Wildt wies in seinem Vortrag “Hitler googeln” auf Grenzen und Probleme hin, auf die der Historiker mit den neuen Medien stößt. Detlef Schmiechen-Ackermann aus Hannover konstatierte, dass die innerdeutsche Grenze im öffentlichen Bewusstsein und im kollektiven Gedächtnis zwar eine große Rolle spielt, die Wissenschaftler das Thema aber lange Zeit nahezu ignorierten – stets trafen ausgefeilte Gedanken zu der Thematik der Grenze auf eine kritische und diskussionsfreudige Zuhörerschaft.

Leider bildeten auf der gesamten Tagung die Lehrenden die deutliche Mehrzahl. Abgesehen von freiwilligen Helfern verirrte sich kaum ein Student in die Vortragssäle oder Diskussionsräume, was wohl kaum an dem Interesse der Studenten, sondern vielmehr an den für Studenten fast nicht bezahlbaren Kartenpreisen lag.

Was kommt nach Bologna?

So fand man auch bei der Podiumsdiskussion “Was kommt nach Bologna? Eine Reform und ihre Folgen” kaum ein Gesicht unter 30 Jahren im Auditorium. Glücklicherweise saß ich als Student sogar mit auf dem Podium. Neben mir nahmen die zuständige Referentin des Bundesministeriums für Bildung, Dr. Birgit Gallert, der Vorsitzende des Historikertags Prof. Dr. Werner Plumpe, Prof. Dr. Ulrich Herbert (Freiburg), Prof. Dr. Michael Sauer (Göttingen) und Sven Felix Kellerhof von der Welt als Moderator teil.

Nahezu jeder, vom Studenten über den Dozenten bis hin zum interessierten Bürger, hat eine Ahnung von der Problematik des Schlagwortes Bologna. Als Ende des letzten Jahrtausends die ersten Studiengänge neu strukturiert wurden, waren die Vereinheitlichung und Vereinfachung des Studiensystems, eine größere Mobilität in Europa und der frühere Berufseinstieg durch einen Zwischenabschluss – den Bachelor – die erklärten Ziele, die man innerhalb von zehn Jahren erreicht haben wollte.

Zehn Jahre später ziehen die verschiedenen Seiten eine äußerst unterschiedliche Bilanz. Während Birgit Gallert ein überwiegend positives Fazit zog und auf die gestiegene Selbstständigkeit der Hochschulen hinwies, bemerkte Werner Plumpe, die Ansätze der Bologna-Reform seien keine angemessene Antwort auf die wirklichen Probleme der deutschen Universitäten.

Kommunikation und Organisation als Lösung

Ihn unterstützte Ulrich Herbert, der mit dem Niveauverlust der Lehre, Chaos an den Unis und die Minderwertigkeit des Bachelors die Schwächen hervorhob. Seiner Ansicht nach sei nicht nur die Bologna-Reform Auslöser gewesen, sondern ein Zusammenwirken verschiedener Faktoren. Ich steuerte auf dem Podium die studentische Perspektive auf die Studiensituation bei, indem ich auf die guten Ansätze verwies, wobei es aber deutlich an der Organisation und Kommunikation – vor allem zwischen Lehrenden und Studenten – hapere.

Wenn miteinander gearbeitet würde, wären über 50 Prozent der Probleme, die man unter dem Schlagwort “Bologna” zusammenfasst, in kürzester Zeit zu lösen. Angefangen bei schluderigen Dozenten, über unangemessen zeitintensive Seminarlektüre bis hin zu unnötigerweise zu kleinen Räumen oder einen stockenden und ungenügenden Informationsfluss ließen sich viele Probleme tatsächlich auf dem kurzen Amtsweg lösen – und dass, ohne großartig darüber zu diskutieren oder bei Politik und Reformgedanken die Schuld zu suchen.

2 Kommentare zu “Die Grenzen von Bologna

  1. Ich muss mich bei der Bologna-Debatte immer wieder fragen: Wie sieht das Bild von “früher” aus, also als es noch keinen Bachelor gab? Da haben auch nicht alle Studierenden vor sich hinstudiert und wenn ich mich recht entsinne hatten auch einige Studierende Probleme mit den vielen Freiheiten.

    Vielleicht kann ich mich aber auch einfach nicht in die derzeitige Situation hineinversetzen….

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