Der Sound des Ikarus

>More Time< intoniert der Vokoder-Chor, dann braust die Elektrokutsche im Untertassentempo los, vorbei an sensorischen Kraftfeldern, quaekenden Baseballfeldern und anderen Leerstellen in der Landschaft bis der naechste Boxenstopp gekommen ist: >Pac Man / Shopping Cart<. Schneider TMs Album >Skoda Mluvit< ist, wie so viele sonische Erzeugnisse, ein echter Trip, auch ohne Drogen, doch nicht ohne Risiko. Die Musik geht aufs Ganze. Gemaechlich. Gitarren begleiten wechselnde Beschleunigungsmodi, komplexe Rhythmusstrukturen, die Gestalt annehmen aus Funken, die gegeneinanderkaempfende Uhrwerke im Maschinenpark verursachen. Schneiders >Quiet is the new loud-Stimme< ist hier der Waerme- und Ruhepol. Klar aber nicht immer verstaendlich artikuliert er seine Gedanken: >from alaska to disaster / through the cornfields of nebraska.< Das Album ist nicht neu. Vor einigen Monaten oder so erschienen. Aber noch immer hochaktuell und vielleicht das Beste, was der Mann aus Bielefeld in seiner langjaehrigen Laufbahn als Indie-Rocker, Post-Rock-Komponist und Electronica-Innovator abgeliefert hat. Das Reifste und Vielschichtigste - auch das. Wie selten zuvor erreicht er eine Intensitaet, die wahrhaft ikarus’esk zu nennen ist. Alle Motoren draengen Richtung Sonne: >the sun is getting balder day by day / her face is looking older, almost grey.< Und dann spaeter im gleichen Track: >i wanna vodou [gesprochen: vodoo] like you<. Party im Hitzeradius! Auch den Hoerer zieht es ganz nah an den Leuchtkoerper. Die Baesse treiben synkopisch und die Gitarren roehren in der digitalen Echokammer als spielte der Wahlberliner mit Hendrix'schen Feedbackloops Rocklego. Die Sonne kommt indes immer naeher. Und doch scheint sie mit jeder verstreichenden Minute weiter aus dem Gesichtskreis zu ruecken. Und ueberhaupt - ist es eigentlich Tag oder Nacht? Zeit zum Fragen bleibt eigentlich nicht. Bevor der naechste Track beginnt, winkt uns Schneider vom Wegesrand noch einen dahingehauchten Kommentar: >the moon is visible cause the sun is on fire<. Die gluehende Hitze fuehlt sich wie ein insektoides Unterwassergewebe an [hoert, hoert]. Mikroskopisch und doch einen Blick fuers grosse Ganze: >time flies like a fly / a fly in the sky / when i walk you home and then go for a ride…/ my engine’s pumping blood to a 4-dimensional headroom / that you can travel with your hear & mind / it’s so much bigger than your bedroom…<. Irgendwann schmelzen die Fluegel, dann geht die Sonne noch einmal auf. Das heutige Konzert stellt uebrigens dieses Erlebnis ebenfalls in Aussicht.

2 Kommentare zu “Der Sound des Ikarus

  1. Boah! Da würde ich auch gerne zu gern hingehen aber leider wohne ich ja nicht in der Capitol-City. Noch nicht. Aufjedenfall hat mich der Text sehr neugierig gemacht. Viel Spaß!

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