Der koloniale Traum aus Sand

Ich habe Linguistik und Literaturwissenschaften an der Oxford University studiert und wurde als Buchhalter ausgebildet bevor ich einen Abschluss in Jura erwarb. Als ich herausfand, dass ich weder dazu bestimmt war, ein Buchhalter noch ein Anwalt zu sein, entschied ich mich ein Baenker zu werden. Als ich von den Banken abgewiesen wurde, fasste ich den Entschluss, an die Boerse zu gehen. Als auch dieser Plan fehlschlug, bewarb ich mich als Management Berater. Es endete damit, dass ich Haeuserwaende von Menschen anzumalen begann. Nach einer Weile fand ich einen Job bei einem Moebelhersteller in Shoreditch – damals eine heruntergekommene Gegend in East London – woraufhin mir unlogischerweise ein Job als Autor und Redakteur bei Time-Life Books angeboten wurde. Die Firma schloss 1991 und ich wurde ein freischaffender Autor. Mein erstes Buch, eine Biografie von meiner Tante Amaryllis Fleming – eine bekannte Cellospielerin – wurde im Jahr 1993 veroeffentlicht.

1997 schrieb ich >Barrow”s Boys<. Es war mein erstes Buch ueber Entdeckungen und als es veroeffentlicht wurde, war es ein grosser Erfolg. Doch weil das Honorar gering war, schrieb ich noch im gleichen Jahr vier oder fuenf Sachbuecher fuer Kinder, um ueber die Runden zu kommen. Eines davon war ueber die Sahara. Dieses Projekt wurde letztendlich gestrichen, doch mir blieben zwei Dinge aus der Recherchezeit im Gedaechtnis haften. Das erste war, dass es in mitten der Wueste Berge gab, deren Kuppen schneebedeckt waren. Das zweite war, dass in diesen Bergen ein franzoesischer Moench namens Charles de Foucauld eine Hermitage errichtet hatte. Er war kein gewoehnlicher Moench. Foucauld war ein aristokratischer Kavalerieoffizier, bekannt fuer seinen Reichtum und seine Ausschweifungen, der alles aufgab, um ein Trappist zu werden. Als er herausfand, dass Trappismus keine wirkliche Herausforderung fuer ihn darstellte, gruendete er einen heiligen Orden, der so extrem war, dass ihm der Papst zunaechst seine Einwilligung nicht geben wollte - die Mitgliederzahl war Zeit seines Lebens nicht groesser als eins: er selbst. Diese Fakten zogen mich in ihren Bann. Viele Jahre spaeter, als ich mehr ueber dieses Thema gelesen hatte, erfuhr ich, dass Foucaulds bester Freund in der Armee Henri Laperrine gewesen war. Jener Laperrine, der die bekannten >Camel Corps< gegruendet hatte, die es Frankreich ermoeglichten, die Sahara zu unterwerfen. Ein Entdecker in seinem Herzen, fuehrte er seine Kameltruppe auch durch die menschenfeindlichsten und entlegensten Regionen der Wueste. Darueber hinaus kollaborierte der Soldat mit dem Moench, in seiner Eigenschaft als Spion und Fuehrer zugleich. Manchmal fuehrte Foucauld Laperrines Truppen durch die Wueste, zu Fuss vor den Kamelen gehend, Gebete rezitierend, nichts ausser Haferschleim essend. Ja, sie waren zwei aussergewoehnliche Menschen, die an einem aussergewoehnlichen Ort, zu einer aussergewoehnlichen Zeit lebten. Ich mag das Aussergewoehnliche. Es schien jedenfalls lohnend, darueber zu schreiben. Das Buch, das nun in Deutschland unter dem Titel >Trikolore ueber der Sahara< erscheint, nahm einen schweren Start. Es war zu gefaehrlich, um Algerien zu besuchen - mein Lektor erzaehlte mir damals von zwei palaestinensischen Freunden, die dies gewagt hatten und am Ende ihres Aufenthaltes uebergluecklich waren, an den >sicheren< Gazastreifen zurueckzukehren. So musste die gesamte Recherche auf Bibliotheken verlegt werden. Ich verbrachte viel Zeit an Orten wie der British Library oder der Royal Geographical Society, wo ich tagsueber Berichte und Tagebuecher las. Waehrend sich mein mittelmaessiges Franzoesisch in jenen Tagen dramatisch verbesserte, versuchte ich nachts gut 1000 Worte taeglich zu schreiben. Es ist nutzlos darueber zu sprechen, aber wie so oft waren Ehrgeiz und Wirklichkeit nicht deckungsgleich. Was mich beim Schreiben sehr faszinierte, war die Tatsache dass Frankreich die Sahara ohne triftigen Grund eroberte. Es gab zwar Geruechte, dass die Wueste grossen Reichtum barg, einige wollten sogar eine >Trans-Saharan Railroad< bauen, die Algerien und die anderen franzoesischen Kolonien in Aequatorialafrika verband, doch waren das alles lediglich unerfuellbare Wunschtraeume. Es gab dort weder Reichtuemer, noch war es moeglich eine solche Verkehrstrasse zu bauen. Letztendlich eroberten die Franzosen die Sahara aus Prestigegruenden und weil das Militaer offenbar einen eigenen Kopf hatte. Trotz entgegengesetzter Befehle nahmen Kommandeure eine Oase nach der anderen ein, bis die ganze Wueste unter franzoesischer Kontrolle stand. Die Logistik des Eroberungsfeldzuges war ein Alptraum. Es starben so unfassbar viele Kamele, dass >ein blinder Mann ihrer Spur mit seiner Nase folgen konnte.< Als England die Sahara im Jahre 1890 an Frankreich abtrat, war Premierminister Lord Salisbury uebergluecklich: >We have given the Gallic cockerel an enormous amount of sand< sagte er und witzelte ferner: >Let him scratch it as he pleases.< Und Frankreich kratzte, auf Kosten der Oeffentlichkeit wohlgemerkt. Doch es entdeckte die mineralen Vorkommen seines Wuestenimperiums nicht vor den 50er Jahren, also als es eigentlich schon zu spaet war. Als Algerien im Jahre 1963 dann seine Unabhaengigkeit zugesprochen bekam, fluechteten sich mehr als zwei Millionen Kolonisten aus dem Land. Es war die groesste Dislozierung von Europaeern seit dem Zweiten Weltkrieg. Das koloniale Unternehmen, das Algerien von einem kleinen Kuestenland zu der groessten Nation Afrikas wachsen sah, erwies sich als bodenlos. Foucauld und Laperrine - beide starben uebrigens in der Wueste - personifizierten den Wagemut, nicht zuletzt aber auch die Sinnlosigkeit dieses bizarren imperialen Traumes.

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