Dem Fahnatismus auf der Spur

Im letzten Sommer flatterten sie noch ueberall; sie hingen in Fenstern, schauten von Balkonen hinunter oder zierten Kneipeneingaenge: Die Deutschlandfahnen. Die >Nation< taumelte vor Glueck und feierte die >Deutschlandparty< [Der Spiegel] in schwarz-rot-gold. Nun ist Dezember und der heisse Sommer der deutschen Leidenschaft ist vorbei. Oder doch nicht? Der Medienkuenstler Florian Thalhofer hat sich auf die Suche nach den vergessenen Fahnen der WM gemacht und reist dafuer schon seit acht Tagen durch Deutschland. Seine Eindruecke haelt er in einem Blog fest. Vorlaeufiges Fazit: Die Gruppe derer, die immer noch Deutschlandfahnen zur Schau stellen, ist keinesfalls homogen. Ein Mann aus Wienhausen zum Beispiel hat inzwischen schon die dritte Deutschlandfahne an seinem roten Passat angebracht und die vierte liegt schon auf der Rueckbank bereit. >Weil ich stolz bin, ein Deutscher zu sein. Und jetzt kann man es auch sagen.<, meint er dazu. Dann gibt es da Frau von Doehren, eine Altaebtissin vom Kloster Wienhausen. Sie assoziert ganz andere Dinge mit den symboltraechtigen Fahnen. Zwar hat sie nichts mit Fussball am Hut, dafuer fallen ihr aber Lieder aus ihrer Jugend wieder ein, wenn sie die Fahnen sieht. Nanu? Was moegen das wohl fuer Lieder sein? Der Vernuenftigste >Fahnatiker< scheint Herr Neuburger aus Berlin-Neukoelln zu sein. Zur Weltmeisterschaft wurden die Fahnen unschlagbar billig und da hat er sich kurzerhand eingedeckt. Nun hat er den ganzen Balkon voll mit Deutschlanfahnen, Weihnachtsmaennern und Lichterketten. Da freuen sich die Touristen vom Hotel gegenueber. Fuer manche ist eben immer Weltmeisterschaft, oder Weihnachten, oder beides. Florian Thalhofer ist noch fuer drei Tage unterwegs und sucht nach den vergessenen Fahnen.

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