Das 1×1 der Wirtschaft

Ich befasse mich mit mathematischen Modellen der Finanzmaerkte. Insbesondere versuche ich in theoretischen Fallstudien Kursverteilungen und Kursverlaeufe von Aktien und Wertpapieren zu analysieren, indem ich das Verhalten und den Zustand einzelner Akteure auf den Finanzmaerkten modelliere.

Das Verhalten der Investoren, aber auch der Zufall, der ihnen dabei begegnet, muessen dabei beruecksichtigt werden. Meine Modelle beschreiben daher oft eine Art Mischung aus Schach und Lotto.

Wenn man Chancen und Risiken auf Finanzmaerkten untersucht, ist es wichtig zu verstehen, wie verschiedene Firmen und Investoren sich gegenseitig beeinflussen und wie Erfahrungen, die Akteure ueber die Zeit sammeln, ihr Verhalten aendern. Meine Forschung konzentriert sich daher z.Zt. auf die mathematische Modellierung von Interaktion, Lernen und Evolution in Finanzmaerkten. Mit einem Kollegen habe ich gerade ein Paper fertiggestellt, in dem wir Verluste untersuchen, die von grossen Kreditportfolios von Banken herruehren.

Was bedeutet das? Banken vergeben Kredite an Firmen. Wenn solche Firmen Tilgungen und Zinsen nicht bezahlen koennen, fuehrt dieses zu Ausfaellen und Verlusten fuer die kreditgebende Bank. Nun stehen die kreditnehmenden Firmen oft miteinander in Geschaeftsbeziehungen, so dass die einzelnen Ausfaelle andere nach sich ziehen koennen und nicht unabhaengig voneinander sind. Man spricht von korrelierten Ausfaellen. Diese Korrelation beeinflusst die Verluste der Kreditportfolios der Bank. Wir haben mit Hilfe von Methoden aus der sogenannten Statistischen Mechanik, einem Teilgebiet der mathematischen Physik, untersucht, wie die Interaktion von Firmen die Verluste auf der Ebene der Portfolios beeinflusst.

Die Quelle unserer Methoden, die Statistische Mechanik, ist als Teilgebiet der Physik uebrigens schon mehr als 100 Jahre alt; abgesehen von einigen Vorlaeufern begann die Entwicklung einer streng mathematischen Theorie jedoch erst mit ersten Arbeiten von Roland Dobrushin im Jahr 1962. Eine erste oekonomische Anwendung der Statistischen Mechanik geht auf Hans Foellmer zurueck und wurde 1974 veroeffentlicht. Die wissenschaftliche Diskussion derartiger Modelle hat sich seit den 90er Jahren deutlich intensiviert.

Wie sehen theoretische Modelle in der mathematischen Oekonomie eigentlich aus? Wie in der Mathematik lege ich zu Beginn gewisse Grundannahmen fest. Diese konkretisieren die Eigenschaften der wirtschaftlichen Akteure und ihre Beziehungen zueinander. Ergebnisse werden danach meistens wie mathematische Saetze bewiesen indem aus den Modellannahmen Schritt fuer Schritt die Ergebnisse abgeleitet werden. Z.B. lassen sich aus den Geschaeftsbeziehungen von Kreditnehmern Konsequenzen fuer die kreditgebende Bank abschaetzen. Heuristisch helfen manchmal Computer-simulationen beim Verstaendnis der Zusammenhaenge.

Oekonomische Forschung ist nicht nur mit der Mathematik und der Physik verknuepft. Bei der Beschreibung wirtschaftlicher Ablaeufe verwendet man oft Modelle, die gleichsam wie Fallstudien gewisse oekonomische Phaenomene verdeutlichen sollen. Manchmal ergeben sich Analogien zu anderen Wissenschaften wie z.B. zur Biologie. Ein Beispiel hierfuer ist die Evolutionaere Oekonomie, die untersucht, wie sich Oekonomien wandeln.

Haeufig versucht man, wirtschaftliche Phaenomene aus dem Verhalten der wirtschaftlichen Akteure heraus zu verstehen. Konventionell verwendet man Modellierungsansaetze, die bestimmte Bedingungen an das Verhalten der Individuen stellen. In der orthodoxen Oekonomie spielt der homo oecomomicus eine grosse Rolle, der stets egoistisch seinen eigenen Nutzen maximiert. Neuere Ansaetze versuchen eine realistischere und komplexere Modellierung, fuer die man das Verhalten von Menschen wesentlich besser verstehen muss. Der Oekonom kommt also nicht umhin, auf Wissen ueber die Psychologie von Menschen zurueckzugreifen. Ich wuerde mir wuenschen, dass sich die Zusammenarbeit von Oekonomen und Psychologen in den naechsten Jahren weiter intensiviert.

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