Das Online-Feuilleton Celadon.net: “Die Quelle alles Reinen, Schoenen und Tiefen.”

Was haben Hochoefen mit der virtuellen Datenbank namens Internet zu tun? Celadon.net – ein Berliner Online-Feuilleton – koennte die langersehnte Antwort liefern. Anne Schreiber hat es unter die Lupe genommen.

Gibt man den Begriff “celadon” in eine Suchmaschine ein, so verirrt man sich auf Netzseiten von ueber den Globus verstreuten Toepfereien, deren Gemeinsamkeit in der Anwendung einer alten koreanischen Glasurtechnik besteht. Bei dieser wird das Material unter hohen Temperaturen in Oefen erhitzt, bis die Farbe kleine Risse aufzeigt.

Celadon ist der fachmaennische Begriff, das Ergebnis gleicht einer Jadefarbe, die der japanische Gelehrte Shozo Ujiyama “mit dem Zustand des Nichts, der Quelle alles Reinen, Schoenen und Tiefen” vergleicht.

Gibt man den Begriff “celadon” in eine Suchmaschine ein, so stoesst man auch auf einen Link, der mit Hochoefen so viel gemein hat wie das Internet mit Geschwindigkeit. Naemlich sehr viel. Die Parallele in einer 2000 Jahre zurueckliegenden Kunsttradition und der juengsten kulturellen Gedaechtnisform, der virtuellen Datenbank, haben die Macher von celadon.net zumindest erkannt. Sie haben gesehen, dass es da um einen hot spot der Verformung von kreativen Ideen geht. Das Netz sozusagen in seiner Eigenschaft als Hochofen erkannt, einem Ort, wo man Dinge reinschiebt und einige Zeit spaeter wieder rausholt. Eine Variante des Sender-Empfaenger-Prinzips eigentlich, ausgeschlossen der Risse.

Wo man auch schon sehr nah beim Begriff Medium ist, und es warm wird wie beim Topfschlagen. Aehnlich muss es auch den Leuten von celadon.net gegangen sein. Sie muessen gedacht haben, dass sie mit ihrer Idee, eine Zeitung herauszugeben, die nur im Netz erscheint und ihre Leser regelmaessig mit kulturellen Nachrichten versorgt, irgendwie ganz nah dran sind.

Doch mit verbundenen Augen weiss man manchmal nicht, welcher der richtige Moment zum Draufschlagen ist. Und so duerfte Holger Dewitz, Chefredakteur von celadon, nun mit einem lachenden und einem weinenden Auge in seine Mailbox schauen. Dem Online-Feuilletonblatt ging es anfangs eigentlich gar nicht so schlecht. Die Inhalte haben mit Netzspezifischem wenig zu tun, im Gegensatz zu Rhizome zum Beispiel geht es ausschliesslich um Kunst und Kultur ausserhalb des Monitors. Dabei gibt es fuer die Themen kaum ueberregionale Aufhaenger, sie sind meist lokal verankert. Der – laut Dewitz – 100 Journalisten umfassende Autorenstamm kommt diesem Prinzip entgegen: sie sind laenderweit verstreut, auch wenn Berlin der Knoten ist. Die Redaktion ist hier zu Hause.

Entgegen dem Inhalt orientiert sich die Form am Medium. Der Leser wird nicht durch langlebige Artikel hoffnungslos mit Information ueberfrachtet oder mit grossformatigen Bildern konfrontiert, die erst mal in eine Warteschleife druecken. Celadon schien das Prinzip des E-Zines verstanden zu haben.

Doch nun koennte man glauben, in der Farbe Risse zu bemerken. Der Kulturbote celadon war bereits drei Monate als Nullnummer im Netz zu sehen und zu lesen. Dreimal die Woche kam der celadon-Newsletter, der ueber die jeweils neue Ausgabe informierte. Wer jedoch jetzt die Homepage besucht, kann zwar das sich taeglich aktualisierende Datum registrieren. Anders die Texte, die nun schon seit zwei Wochen im Dornroeschenschlaf verharren.

Urlaub? Investitionskapital ausgegangen? Sponsoren abgesprungen? Falsche Farbe als Motiv gewaehlt? Oder einfach nur eine Verschnaufpause, um den ganz grossen Ballon steigen zu lassen? Die naechsten Tage werden eine Antwort mit Sicherheit nicht vermissen lassen.

Was uns derzeit bleibt, ist die Celadonglasur: “Charakteristische Motive dieser Technik sind beispielsweise schwimmende Enten unter einer Trauerweide und fliegende Kraniche zwischen Wolken”.

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