Call me ISTANBUL ist mein Name

Ich wurde in Odessa geboren und in Oesterreich sozialisiert. So hatte ich stets einen Blick auf Osteuropa und fuer die Leistungen, die von Osteuropa fuer die Kultur ausgegangen sind [von Kasimir Malewitsch bis zu Johann von Neumann Istanbul spielt in diesem Zusammenhang eine besondere Rolle: Mir erscheint die Stadt ein Prototyp fuer die Entwicklung anderer europaeischer Grossstaedte zu sein.

Das Beste an europaeischen Staedten war der Versuch, einen einzigen Raum, naemlich den Raum hinter den Stadtmauern, nicht zu teilen und zu trennen, sondern vermischt und gemeinsam zu bewohnen. Diese multikulturellen, multiethnischen, multisprachlichen, multireligioesen Aspekte machen eine Stadt erst zu einer Stadt, vor allem zu einer europaeischen Stadt.

Waehrend aber heute die meisten europaeischen Kulturmetropolen in reine Repraesentation absinken, in Tourismusfallen und in retardierende Rueckwaertsgewandtheit, scheint Istanbul ein autopoetisches System zu sein: Es gibt sehr viele Strukturen der Selbstorganisation, eine Flexibilitaet der Administration, welche Migration zulaesst.

Im Gegensatz zu den meisten westeuropaeischen Staedten, welche Emigranten an die Peripherie verdraengen, verelenden, ghettoisieren oder gleich im Lager einsperren, ist Istanbul keine Festung. Bereits waehrend der Zeit des Zweiten Weltkrieges hatte die Tuerkei vielen Linkssozialisten, kritischen Intellektuellen und Juden Asyl gewaehrt – in Zentraleuropa wuetete derweil die Barbarei.

In einer Zeit, in der der EU-Beitritt der Tuerkei heftig debattiert wird, bietet die Kunst eine Moeglichkeit fuer praezisere Informationen ueber diesen Themenkomplex. Der gemeinsame Nenner der Ausstellung >Call me ISTANBUL ist mein Name< ist jedenfalls der Versuch, die Transformation Istanbuls in die Moderne voranzutreiben. Minarette werden zu Aufzuegen, Bauchtaenzerinnen zu digitalen Avataren, Derwische tanzen auf Plattentellern. Man koennte von einer forcierten Modernisierung sprechen.

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