Bluemchengleichung

Menschen sind Blumen. Immer wenn die Sonne heraus kommt, bluehen sie auf. Das erklaert auch die besondere Begeisterung fuer bestimmte Bilder, wie zum Beispiel van Goghs Sonnenblumen oder Monets Garten. Menschen umgeben sich gern mit dem eigenen Abbild, deshalb gehen sie auch in Ausstellungen mit Blumen oder mit Menschen-Portraets, und moegen ueberhaupt lieber die figuerliche Kunst.

Gemuese ist interessanterweise eher selten oder mit den Stillleben assoziiert, dem Memento Mori, dem Tod. Verstaendlicherweise projiziert sich niemand gern in die Vorstellung, als Nahrungsmittel herzuhalten.

Entwurzelt oder abgeschnitten zu werden, hat dagegen einen existentialistischen Charme – solange man noch schoen anzuschauen ist, versteht sich, oder angenehm duftet. Sobald die Entwurzelung irgendwie stinkt, weil ungewaschen und rott, geht die Blume ins Stillleben ueber. Sie verkommt zur Friedhofspflanze und ist nicht nur heimat-, sondern auch noch obdachlos. Vorstellbar sind Blumen in einem anderen Haus oder Land, aber auf der Strasse? Da werden sie staendig von Hunden bepinkelt und angekackt, kriegen Regen auf den Kopf und sehen irgendwie ungepflegt aus. Davon kauft man sich kein MoMA-Poster.

Blumen lassen sich auch gut unterjochen. Man schneidet sie ab, stellt sie in die Vase, wo sie die Klappe halten und mal ein langes oder kuerzeres Leben fuehren. Wer den Pflanzen ein menschliches Leben zugestehen moechte, der haelt sie sich in Toepfen. Darin kann man sie umherschieben und dort abstellen, wo sie nicht stoeren. Dann wandeln sie sich auch: sie gehen mit, mit dem Menschenleben. Mal mehr Blueten, mal weniger; sie lassen sich pflegen, nach Art der sie Besitzenden; besonders vor dem Eingehen werden sie gern gerettet. Ihre Unfreiheit bereitet den Menschen Freude als Spiegel der eigenen Existenz.

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