Neu bei “Dr. House”: Blogger auf der Intensivstation

Ihr Gesicht schimmert blau in der nächtlichen Dunkelheit, sie ist allein. Schnelle Schnitte: Tasten, Monitor, erste Buchstaben auf dem Bildschirm. “Taylor und ich hatten einen Streit.” Sie schürzt die Lippen und beginnt in die Tasten zu hauen. Coole Klänge von Norah Jones setzen ein. Eine Bloggerin bei der Arbeit.

Die junge Frau heißt Frankie und ist Patient of the week in der aktuellen Folge von “House”, der im Moment erfolgreichsten Arztserie im US-Fernsehen. Kurz nach der Einstiegsszene streitet sich Frankie mit ihrem Freund Taylor, dem es gar nicht gefällt, dass sie das Privatleben der beiden in ihrem Blog “A Considered Life” minutiös ausbreitet. Kurz nach dem Streit bricht sie unerklärlicherweise zusammen und wird ins Krankenhaus eingeliefert.

Tagebuch einer Krankheit

Auch im Krankenbett bloggt sie weiter. Das ist Primärliteratur für die Ärzte, die das Blog lesen, um eine umfassende Krankengeschichte zu erstellen. Wie immer bei “House” ist ihre Krankheit rätselhaft. Und wie immer in dieser Serie hat das medizinische Rätsel auch eine moralische Dimension: Wie privat ist das Private? Wie echt sind Bindungen im Netz?

Wie immer hat Dr. House in der 38. Minute der Folge seine Epiphanie und findet heraus, was mit Frankie nicht stimmt. Die Lösung des Rätsels liefert eine interessante Perspektive auf die totale Nacktheit im Netz: Nicht das, was die Bloggerin schreibt, ist entscheidend, sondern das, was sie nicht schreibt.

Was also ist das Detail ihres Lebens, über das Frankie nicht geschrieben hat?

In keinem der Einträge erwähnt sie ihren Stuhlgang, welcher erst fest, später aber nicht mehr so fest ist. Diese Veränderung ist das Symptom, welches den Ärzten gefehlt hat, um das Diagnose-Rätsel zu lösen. Der kleine Teil von Frankie, der privat blieb, wird letztlich auch öffentlich: Natürlich muss sie darüber sofort bloggen.

18 Kommentare zu “Neu bei “Dr. House”: Blogger auf der Intensivstation

  1. der Blogger, der krank ist, ist krank, weil er bloggt, weil er das Private ausstellt — zumindest so durch die Blume gesprochen, richtig?

  2. das muss man anders lesen: sie wird geheilt, weil sie bloggt, selbst wenn der entscheidende hinweis nicht in ihrem blog verwortet wird, so wird doch ex negativo aus dem text abgeleitet woran sie leidet. und das ist nicht das bloggen.

  3. Hast Du den Eindruck gewonnen, dass der Blogger als Typus oder sagen wir: Akteur der Medienlandschaft in dieser Folge von “House” durch eine bestimmte ideologische Brille betrachtet wird?

  4. Ui, die Folge werde ich mir gleich mal anschauen. Blogger in Hollywoodfilmen interessieren mich schon seit langem!

  5. Gibt es denn schon ein richtiges Blogger-Film-Klischeebild, wie das des rauchenden, trinkenden Journalistens, der “Haltet die Pressen an!” ruft? Nerdy, oder ganz anders?

  6. Besitze keinen Fernseher und mag die meisten Blogs auch nicht, da sie ähnlich langweilen wie die Leben und Gedanken ihrer “Herrchen”. Kenne den Dr. House nur von Plakaten und Interviews, insofern tauge ich Gottseidank nicht als Experte hier. Aber das Detail des Ungesagten, als wichtigste Information im Meer der sonst vielwortigen Gesprächigkeit, ist ein Klassisches in der Psychotherapie. Die Auslassungen, geschickt umschifft im Gespräch, die blinden Flecken, sind die wirklich Interessanten, um in der psychologischen Praxis Diagnosen zu stellen. Könnte bei Bloggern, Twittervögelchen und anderen geschwätzigen Zeitgenossen, auch das Mittel der Wahl sein. Was sagt Sascha Lobo eigentlich nicht? Worüber spricht er nie? Los, lasst ihn uns zum Weinen bringen!

  7. @Mr. Deffler: Der Blogger wird doch gemeinhin als “Bürgerjournalist” wahrgenommen, deshalb ist seine Darstellung irgendwie an Vorstellungen von Journalisten gebunden, wie in State of Play. Da der Blogger das Neue ist, werden sie doch häufig von Frauen gespielt, die wirken irgendwie moderner. Oder wie seht ihr das?

  8. @ Jorge Cyterszpiler: Au ja, ich bin dabei. Er bloggt nie über seine ganz frühe Kindheit…

  9. @Krystian: Interessante Frage. Das Bloggen kam schon in einigen House-Folgen als Randphänomen vor und dort, wie auch in der aktuellen Folge wird das Bloggen eher als etwas Negatives dargestellt, als etwas, das zum Beispiel einen schlechten Einfluss auf die Beziehung hat. Also könnte die ideologsche Brille der Serienmacher als eher konservativ eingestuft werden. Aber @SAMSON: Wenigstens wurde die Patientin nicht durch das Bloggen selbst krank.
    @Mark Defler: ich stimme da Netzprofi zu, meistens ist der Blogger an den Journalisten angelehnt, so in der Art “next generation investigative journalist” und meistens sind Blogger eher jung, gerne weiblich, modern… Aber ich glaube Klischeebilder wie beim Hacker, Journalisten etc. gibt es noch nicht.
    @Jorge: Ich bin dabei!

  10. @netzprofi: “Frauen wirken irgendwie moderner” sollte der Titel von irgendwas sein, finde ich.

  11. Ist Hollywood und Konsorten überhaupt in der Lage über den Tellerrand des Klischees zu entwerfen? Und: Klischeebilder, wie funktioniert das eigentlich? Ich meine, sind die nicht auch immer übertragbar, im Sinne von typifizierten Folien, zweiter Haut, etc. In diesem Sinne wäre DER BLOGGER immer schon ein Klischee, selbst wenn wir es nicht so genau benennen können — noch nicht.

  12. @ Jorge: Ich mag diesen Aufruf, bei Sascha Lobo nach dem Ungebloggten zu suchen. Der Mann und sein never ending text gehören auf die Couch. Da spiele ich auch gerne mal Arzt. Call me: Dr. Tom House.

  13. @ Tom und Jorge: Habt ihr euch mal den Blog, Twitterfeed etc. von Lobo angeschaut. Unpersönlicher ghets eigentlich nicht. Das ist vorgegaukelte Privatheit. Ich weiß mehr über meine Mutter als über Schlobo. Echt!

  14. @ Jella: ich bin eigentlich ganz beruhigt, dass Du mehr über Deine Mutter weißt, als über Onkel Lobo. Ich weiß auch nicht warum : )

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