Bildung, Shopping, Leitkultur: Schlechte Laune im Maschinenpark

Ein Beitrag auf der Echo-Mailingliste Anfang Oktober: Der konservative Hamburger Bürgermeister Ahlhaus rechtfertige die starken Kürzungen bei den öffentlichen Bücherhallen, denn in Zukunft lesen alle Menschen ohnehin nur noch digitale Dateien auf elektronischen Lesegeräten. Ist das wirklich so?

In den USA, so stand in den Zeitungen, haben eBooks einen Zuwachs von 150%. Dort ist man schon sehr viel weiter, wird gern gesagt. Auf BBC2 Newsnight wird dem mal nachgegangen, in Reportagen über den wirtschaftlichen Untergang des Landes. Über Städte, in denen Menschen aus ihren Wohnungen vertrieben werden, weil sie die Miete nicht mehr zahlen können, keine Arbeit mehr finden oder die staatlichen Förderprogramme keinen Effekt zeigen. Dort ist man schon sehr viel weiter am Boden.

Alle müssen online sein!

In Großbritannien. Ich arbeite für zwei Monate in einer Öffentlichen Bibliothek in Preston, Lancashire, die von staatswegen darüber Buch führt, wie vielen Menschen beim Internetzugang geholfen wird. Die Regierung hat ein plattes Postulat verkündet, dass bis 2012 alle Bürger online sein sollen. Weil, so das Hauptargument, das Einkaufen per Internet billiger ist. Weil sich hier – nach den USA, wo man bekanntlich weiter ist – die meisten Mitglieder beim modernen Menschenhändler Facebook registriert haben.

Derweil hauen die Machthaber per Sparmaßnahmen das ganze soziale Gefüge zu Klump. Schön, dass sich das Internet vom Kommunikationsmittel zur tragbaren Kaufhalle entwickelt hat, mit der sich soziale und kulturelle Errungenschaften so praktisch vernichten lassen.

Gegen die Wir-Kultur

Wo die digitalkapitalistischen Umtriebe eklige Auswüchse zeigen, geht es im deutschprovinziellen Gedankengut noch abstoßender zu. Ein Glück, nicht in Deutschland zu sein. Lieber in dieser kleinen englischen Stadt mit großer Industrialisierungsgeschichte, wo die unterschiedlichsten Hautfarben durch die Straßen laufen, mal mit mal ohne Burka, ohne dass die Staatsleitung eine pauschalisierende Ihr-Wir-Situation beschwört. Im TV läuft ein kurzer Text-Spot der Autorin Sadie Smith, sie sei nicht für oder gegen Multikultur, denn diese sei einfach ein Fakt des Lebens.

Warum eigentlich meinen so viele, dass alle Deutsch sprechen können müssten, egal wo sie sind: in Deutschland, Holland, Italien, Dänemark? Meine neue Firma entwickelt jetzt einen digitalen Synchronübersetzer für das bessere Verständnis der Menschen untereinander. Das macht mir bessere Laune.

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