Best of internationale Zeitschrift

Wollte man eine Enzyklopaedie der Sehnsuechte fuer das >Jahrhundert der Intellektuellen< zusammenstellen, so duerfte der Eintrag >internationale Zeitschrift< darin nicht fehlen. Schon die Protagonisten der Arbeiter-Internationalen haben sie versucht zu gruenden, den Provinzialismus der Bewegung fuerchtend, die nur auf dem Papier kein Vaterland mehr kannte.

Auch im konservativen Lager, dort freilich geistesaristokratisch gewendet, sehnte man sich nach internationalen Zeitschriften, nach einem >Netz unabhaengiger Zeitschriften […] – in jeder Hauptstadt Europas muesste mindestens eine erscheinen -, damit ein Austausch von Ideen zustande kommt<. Das notierte T.S. Eliot in den 1940er Jahren. In der Geschichte der >Idee einer internationalen Zeitschrift< finden sich so viele Realisierungswege wie politisch-literarische Konstellationen, deren Ausdruck sie sind: es gibt gravitaetische Mutterzeitschriften in den Zentren der westlichen Moderne, die von korrespondierenden Satelliten an der europaeischen Peripherie umkreist werden; es gibt postmoderne Netzwerke autonomer Schwesterzeitschriften in vielen Laendern, manche noch verbunden im Glauben an Konvergenz in einer fernen Zukunft, andere in der Hoffnung, das freie Spiel der Differenzen moege sich ewig fortsetzen und die kommende Gemeinschaft niemals ankommen. Und jetzt, vielleicht etwas unerwartet, weil schon Jahre nach dem formellen Ende des Jahrhunderts der Intellektuellen und seiner analogen Diskursmedien, eine nachgetragene Ergaenzung zum imaginaeren Genrekatalog der internationalen Zeitschrift. Bezeichnenderweise entstand mit dem titanischen Vorhaben der Documenta magazines ein Best-of. Best-of des Genres und nicht der Namen, denn die Beitraeger und ihre Medien sind groesstenteils befreiend unbekannt. Rund 90 Kunst- und Theoriezeitschriften weltweit waren eingeladen, im Vorfeld von Roger M. Buergels Documenta 12 deren drei Leitfragen zu diskutieren: >Ist die Moderne unsere Antike?<, >Was ist das blosse Leben?< und >Was tun?<. Man kam dazu zunaechst in regionalen, dann internationalen Treffen zusammen und legte eine interne Datenbank an, die den Austausch von Texten zwischen den Redaktionen erleichtern und der Documenta als Impulsgeber dienen sollte. Letztlich entstanden im Diskursraum dieser prekaeren globalen Autorengemeinschaft etwa 300 Beitraege, aus denen ein Team um den Herausgeber der Wiener springerin, Georg Schoellhammer, die Auswahl fuer die drei Themenhefte des Documenta magazine traf. Wenigstens in >Modernity?<, der einzigen bei Taschen bisher verfuegbaren Ausgabe, ist die Montage leider so gut geglueckt, das Ganze noch dazu so zeitlos souveraen gesetzt, dass die geplante internationale >Zeitschrift der Zeitschriften< unter der Hand zum Katalog gerann. Ein gutes Buch und doch schade, denn >Ein Buch<, schrieb der franzoesische Intellektuelle Dionys Mascolo bereits 1965 an seinen Freund Elio Vittorini als ihre gemeinsam geplante internationale Zeitschrift scheiterte, >Ein Buch, selbst ein kollektives, hat einen definitiven, feierlichen, abgeschlossenen Charakter [es ist immer wie das >einzige Buch<], und richtet sich an einen anderen Leser [an etwas Anderes im Leser] als die vergaengliche Zeitschrift, die auf eine Fortsetzung hin offen ist und bei der das Lesen also nie endet.< Affaire à suivre.

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