Bankenwelt im Umbruch: Die digitale Revolution drängt traditionelle Geld-Institute zur Innovation

Die digitale Revolution hat die Bankenwelt erreicht. Die Kunden nehmen das Finanzgeschäft zunehmend selbst in die Hand. Durch Privatkredite etwa werden traditionelle Geldhäuser umgangen. Social Banking-Experte und Berliner Gazette-Autor Lothar Lochmaier kommentiert.

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Crowdfunding ist eine zentrale Herausforderung für die Bankenwelt – so ein Forschungsreport der BBVA-Bank aus Spanien. Laut Experten habe diese disruptive Technologie das Potential, die bis dato dominante Stellung traditioneller Geldhäuser in Frage zu stellen. Wie reagiert die Bankenwelt darauf? Man entwickelt webbasierte Finanzdienstleistungen. Als einer der Vorreiter ist die Fidor Bank anzusehen. Obwohl es sich hierbei nicht um eine der großen Banken handelt, zeigt die Ausrichtung auf einen umfassenden Online-Service anhand von FidorTecS.com dennoch auf, wohin sich die Branche entwickeln wird.

Die Fidor Bank bietet mit seinem Online-Portal nicht nur Service und Banking an, sondern auch eine Community-Plattform, auf der sich die Kunden gegenseitig austauschen und beraten können. Mit diesem strategischen Ansatz versucht sie die komplette Wertschöpfungskette des neuen Bankenbiotops im Web 2.0 ab- und nachzubilden.

Wie das Internet und Bankentechnologien konkret verschmelzen könnten, skizziert eine Studie der Universität Göttingen zum Status Quo von “Peer to Peer”-Banking (P2P), also dem Geldgeschäft zwischen einzelnen Menschen oder Gruppen. “Peer to Peer”-Banking ist eine Strategie, den Kunden über eine Bank die Möglichkeit zu geben untereinander Transaktionen durchzuführen. Laut besagter Studie existieren derzeit drei alternative Geschäftsstrategien von traditionellen Banken.

Drei alternative Geschäftsstrategien

Die Banken könnten erstens eine eigene P2P-Lösung entwickeln. Als mögliche Strategie wäre die Etablierung einer eigenen P2P-Lösung im Rahmen eines eigenen Webauftritts denkbar. Da der Konditions- und der Strukturbeitrag als klassische Komponente der Marktzinsmethode hier wegfielen, sei die Bank in dieser Variante gezwungen, stattdessen Erlöse über Bearbeitungsgebühren zu generieren.

Eine weitere mögliche und vermutlich auch einträchtigere Erlösquelle sehen die Wissenschaftler der Universität Göttingen in verstärkten „Cross-Selling Aktivitäten“. Dies würde bedeuten, unterschiedliche Absatzkanäle wie das Internet oder die Filialbank sinnvoll zu ergänzen. Die zweite grundlegende Gestaltungsoption sähe die Übernahme einer bereits etablierten Plattform vor: Es sei denkbar, dass die Bank eine P2P-Plattform, die sich bereits erfolgreich am Markt etabliert habe, übernehme.

Als drittes Gedankenexperiment halten die Forscher der Universität Göttingen eine strategische Partnerschaft für wahrscheinlich. Bei dieser Variante wäre die Bank faktisch eine Art „Zünglein an der Waage“, indem sie beispielsweise die Restfinanzierung nicht vollständig finanzierter Projekte übernähme. Durch einen solchen Auftritt behielten die Plattformen ihre Eigenständigkeit und die Aktivitäten der Bank im Hintergrund könnten zu einem höheren Geschäftsvolumen auf der P2P-Plattform beitragen, bilanzieren die Autoren der Studie.

Der Konsument ist König

Unabhängig von der Wahrscheinlichkeit, inwieweit derartige Szenarien eintreffen mögen, bleibt festzuhalten: Es sind vor allem Unternehmen aus der IT-Industrie und der Telekommunikationsbranche, die die technologische Entwicklung im Internet bis hin zum Mobile Banking vorantreiben.

Denn die Basistechnologien treten jetzt in die Phase ihrer extensiven sozialen Nutzung: Rechenleistung, Bandbreiten, Speichertechnologien und soziale Netzwerke – all dies ist vorhanden, was den Evolutionssprung zu einer neuen Generation von Inhalten ermöglicht. Kurz: Wer sein Geschäftsmodell rund um den „mündigen Konsumenten“ aufbaut, der dürfte auch vom technologischen und sozialen Fortschritt profitieren.

Nahe liegend wäre es somit, eine Interessenkoalition zwischen alten und neuen Einflussgrößen zum gegenseitigen Vorteil zu schmieden. Und hier könnte sich die Bankenbranche die Bedürfnisse und den neuen Lebensstil (nicht nur) der Generation Y zu eigen machen. Gefragt wäre eine zukunftsweisende Wachstumsstrategie, die das Altbewährte nicht leichtfertig über Bord wirft, jedoch konsequent auf den Paradigmenwandel zu reagieren imstande ist. So definiert das Online-Lexikon Wikipedia den Begriff „Innovation“ nicht als Abklatsch des Althergebrachten, sondern als eine neue Erfindung oder Idee, die unsere Wirtschaft und Gesellschaft grundlegend verändert und weiterbringt. Darauf wartet auch die “next generation finance” immer noch.

Anm.d.Red.: Kürzlich fand in Amsterdam die MoneyLab-Tagung statt, bei der über Innovationen und Alterativen in der Bankenwelt diskutiert wurde. Die Dokumentation ist jetzt auf den Seiten des Institute for Network Cultures verfügbar. Der Beitrag ist als mehrteiliger Text im Blog des Autors zu lesen. Das Foto stammt von Mario Sixtus und steht unter einer Creative Commons Lizenz.

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