Aufruf zur Gotteslaesterung

Eine insbesondere im Science Fiction-Film kannonisierte Szene: Der Protagonist blickt hinter die Oberflaeche und erkennt erstmals, dass alles, was er bisher als seine natuerliche Umwelt erlebt hat, nur Simulation ist. Symptomatisch gilt diese Szene fuer eine Gesellschaft, in der alles medial vermittelt wird. In der die virtuelle Realitaet der Bildschirme und Infobahnen, die materielle Realitaet quasi-diktatorisch beherrscht. Zumindest jedoch ersetzt hat. Doch ist jene Szene nicht vielmehr symptomatisch fuer eine Gesellschaft, in der die Idee nach einer anderen Realitaet als der gesellschaftlich produzierten, gestorben ist? Dass keiner mehr was davon hoeren will, dass es auch noch etwas anderes gibt, als das, was wir taeglich in performativen Akten ko-produzieren und durch Rollenspiel und Regelkonformitaet entstehen lassen? Dass es scheissegal geworden ist, dass all das lediglich das Notwendige ist, damit das Kartenhaus nicht ins sich zusammenfaellt und damit wir unsere Existenzgrundlage sichern koennen? Das Wahre – und das legt die besagte Szene aus dem Science Fiction-Film unzweifelhaft nahe – liegt hinter der Oberflaeche, hinter der Kulisse, hinter dem Schall und Rauch der Kommunikation. Dass es das Wahre gibt, vielleicht auch sowas wie Wahrheit – ein romantischer Gedanke. Doch da ist mehr: Die Tatsache, dass es das Unwahre gibt, scheint mir entscheidender. Rollenspiel und Regelkonfornitaet in Zeiten der Marktdiktatur sind bestenfalls Mittel zum Zweck. Unser Anspruch muss darin bestehen, innerhalb der sozialen Kommunikation die Option der Auto-Kritik zu etablieren. Die Option, auf Distanz zum Vorherrschenden Code zu gehen. Diese Option sollte kein Luxus der Priveligierten sein, sondern eine soziale Norm. Jeder sollte wissen, dass die quasi-religioes verehrte Ordnung der Dinge jederzeit in Frage gestellt werden kann. Wichtiger noch: Jeder kann dazu beitragen, indem er Gotteslaesterung zu seiner Tugend macht. Es geht mir um politisches Handeln im Hier und Jetzt.

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