Aufladen und auslöschen

Alles ist fruchtbar, reich und sagenhaft schoen, so auch die Menschen. Sie laufen >nackt wie am Tage ihrer Geburt umher< und >begegnen allen […] mit grosser Liebe.< Ihre Koerper sind aufs engste mit der Umwelt verbunden, kennen keine Grenzen zwischen Innen und Aussen - so wie auch auf der Insel der Uebergang zwischen Wald und Wasser fliessend ist.

Alle spaeteren Chronisten der Kolumbus’schen Reisen in die Karibik kommen darauf zurueck, beschreiben die Inselbewohner wortreich, ihr Antlitz, ihre Sitten und ihre Taenze, jene Rhythmus und Bewegung gewordenen Symbole fuer die Ernte, die Jagd, die Abwendung eines Hurrikans oder den Krieg gegen Feinde.

Das Bild des Inselbewohners als exotisches Lustobjekt beginnt sich langsam einzubrennen in das europaeische Kollektivbewusstsein und doch wird sein Koerper fuer immer verschwinden. Unwiederbringlich, auf alle Ewigkeit. An der Tagesordnung stehen laengst die systematische Ausrottung der Eingeborenen durch die spanische Kolonialmaschine, die Instrumentalisierung der Verbleibenden als kurzlebige, weil wenig belastbare Zwangsarbeiter sowie ihre ethnische Vermischung mit den frisch eingeschifften Sklaven aus Afrika. All diese, unmittelbar nach den Kolumbus schen Reisen einsetzenden Entwicklungen, sind Begleitumstaende fuer das Verschwinden des karibischen Inselbewohner-Koerpers.

Begleitumstaende aber auch fuer die Suche nach ihm, die sowohl Gegenstand der karibischen Literatur als auch der zeitgenoessischen Tanzkultur ist. Schriftsteller wie Alejandro Carpentier, Reinaldo Arenas und Derek Walcott stehen in dieser post-kolonialen Tradition. Somit stehen sie im Grunde genommen kontraer zu den Schriften, die Kolumbus hinterliess – waren sie doch, wie eingangs zitierten Zeilen, als Rechtfertigungen seiner immer auch goldgierigen Vorstoesse in den Antillen angelegt. Mehr noch: Haben sie in ihrer Eigenschaft als Text nicht auch massgeblich zum Verschwinden des karibischen Inselbewohner-Koerpers beigetragen? [Anm.d.Red. Fortsetzung folgt!]

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