Globalisierungskritik, wie weiter? Antwort #61

Zu Beginn des 21. Jahrhunderts ist die so genannte Globalisierungskritik im Zentrum der Gesellschaft angelangt. In Deutschland konnte man zuletzt anlaesslich der Mobilisierungen gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm beobachten, dass die Kritik an der kapitalistischen Globalisierung sogar zur Massenpraxis wurde. Selbst das Fernsehen – als Medium dafuer bekannt, seine KonsumentInnen >overnewsed and underinformed< zu halten - kann sich globalisierungskritischen Ansaetzen nicht mehr voellig verschliessen.

Obwohl sich viele der von den europaeischen Fernsehstationen ausgestrahlten Dokumentationen als kritisch verstehen, sind sie es allerdings nur bedingt, da sie in der Regel nur >Auswuechse< eines Systems anprangern, das grundsaetzlich jedoch nicht in Frage gestellt wird. Es ist also >Globalisierungskritik< ohne antikapitalistische Stossrichtung, so etwas wie der peinliche Versuch, an ein gaengiges gesellschaftliches Phaenomen anzuschliessen, ohne der Medienindustrie allzu ungestuem ans Bein zu pinkeln. Als Kuenstler und Filmemacher ist es fuer mich von zentraler Bedeutung, nicht nur die bestehenden gesellschaftlichen Verhaeltnisse einer Kritik zu unterziehen, sondern auch die zentralen AkteurInnen, die Widerstand gegen die Herrschaftsverhaeltnisse leisten, ausfuehrlich zu Wort kommen zu lassen. Meine Arbeit will soziale Prozesse begleiten und zugleich unterstuetzen, Moeglichkeiten einer entstehenden Gegenmacht skizzieren und damit letztlich an einer gesellschaftlichen Transformation mitwirken. Meine Filme und Ausstellungen werden daher in einem regen Austausch mit sozialen Bewegungen entwickelt und sind im Schnittfeld zwischen Kunst und Aktivismus zu verorten – wobei ich diese Bereiche gar nicht so sehr als getrennt denken moechte. Das Bilden von Allianzen erscheint mir immer interessanter als das Herausstreichen von Grenzlinien. So werden auch jene meiner Arbeiten, die aktivistische Praxen zum Thema haben, auch regelmaessig von AktivistInnen in deren Kontexten gezeigt. Gemeinsam mit der australischen Kuenstlerin Zanny Begg habe ich waehrend der Blockaden des G8-Gipfels in Heiligendamm im Juni 2007 einen Film aufgenommen, der den aktuellen Stand der so genannten >Anti-Globalisierungsbewegung< reflektiert. Drei fuer diese Bewegung wichtige Fragen strukturieren den Film: Wer sind wir? Was ist unsere Macht? Was wuerde es bedeuten zu gewinnen? Fast zehn Jahre nach >Seattle< erforscht der Film >What Would It Mean To Win?< [40 Min., 2008; Informationen dazu unter www.ressler.at] anhand von Interviews die Auswirkungen, die diese Bewegung der Bewegungen auf die zeitgenoessische Politik hat. Als FilmemacherInnen behandeln wir nicht eine Thematik, die wir >neutral< darzustellen versuchen, sondern wir produzieren den Film aus der Position involvierter BeobachterInnen einer Bewegung, der wir uns zugehoerig fuehlen. [Anm. d.Red.: Der Verfasser dieses Beitrags ist ein in Wien lebender Kuenstler und bereitet zurzeit fuer die Taipei Biennale 2008 die von ihm kuratierte Ausstellung zur Alter-Globalisierungsbewegung mit dem Titel >A World Where Many Worlds Fit< vor.]

Ein Kommentar zu “Globalisierungskritik, wie weiter? Antwort #61

  1. Verstehe deine Beweggründe und Kapitalismuskritische Haltung und Argumentation voll und ganz. Die allgemeine Medienkritik ist sowieso mehr als richtig. Aber mich interessiert als Autor und Filmemacher auch die neue Bruchstelle, der größer werdende Rand der Bewegung der Globalisierungsgegner. Meine damit die fast popkulturellen Auswüchse touristischer Dimension, die schon Eventcharakter haben. Da ich in einem dafür prädestinierten Berliner Stadtteil wohne, durfte ich letztes Jahr unfreiwillig einigen “Warmup-Events” der G8 Gegner beiwohnen. Deren Protest mündete in kleinen Nebenerwerbsrevolutionen desnächtens, mit einem brennenden Dixieklo als gewalttätigem Fanal. Alle Freitags Europaweit angereisten Revolutionskinder saßen am Sonntag geschlossen beim Brunch auf meiner Strasse und Montags waren die Heerscharen der Konsumgegner via Schoenefeld und Billigflug wieder gen Spanien und Co. entfleucht. So etwas hinterlässt mich recht verwundert. Wird das in eurem Projekt auch gewürdigt? Popularisierungsprozesse und deren Auswirkung? Also: “What would it mean to win, presented by easyjet?” Nichts für ungut…

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